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Wenn Paare sprachlos werden

17.03.2018


Suche nach einer neuen Balance zwischen Schweigen und Gespräch

Ich weiß nicht“, meint Sarah bedrückt, „früher fiel mir das gar nicht auf, dass wir beide, Klaus und ich, so wenig reden, wenn wir allein sind. Wir können stundenlang im Auto fahren, ohne ein Wort zu wechseln. Oder morgens stumm am Frühstückstisch sitzen, bis wir uns dann kurz verabschieden und jeder seiner Arbeit nachgeht. Es ist nicht so, dass wir Streit hätten oder uns nicht verstehen würden. Gar nicht! Ich glaube, Klaus stört es auch nicht. Er ärgert sich eher über unsere Nachbarin, die „ständig sinnlos rumquatscht“, wie er es nennt. Aber ich finde es irgendwie bedrückend. So lange Phasen hindurch still nebeneinander zu sitzen, als ob wir uns nichts zu sagen hätten – ist das normal?“

Warum wir schweigsamer werden

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Nach dieser Regel scheinen sich viele ältere Menschen zu richten. Während junge Paare Probleme gern ausdiskutieren, setzen ältere offenbar lieber alles daran, Konflikte zu vermeiden. Soziologen folgern daraus, dass sich ältere Menschen lieber auf erfreuliche Erlebnisse konzentrieren. Vermutlich spiele eine Rolle, dass sie ihre verbleibende Lebenszeit bestmöglich nutzen wollen.

Nein“, meint Elisabeth, „das ist nicht der Grund, warum mein Mann und ich während des Tages wenig miteinander reden; wir schweigen nicht, um eventuelle Konflikte zu vermeiden. Es ist die tägliche Routine, die den Austausch über Gefühle, Veränderungen, Einstellungen usw. erstickt. Wir reden leicht über äußere Dinge, z. B. über Organisatorisches oder was die Enkel angestellt haben, dass die Dachrinne gesäubert und das Rindfleisch gekauft werden muss. Aber wir teilen uns so gut wie nichts mehr über unser inneres Erleben und Fühlen mit, also über das, was wirkliche Nähe zwischen uns herstellt. Zumindest ist das aus meiner Sicht so. Ich glaube für Erwin ist das Schweigen gar nicht so schlimm. Er scheint das ruhige, ungestörte Vor-sich-Hinwerkeln zu genießen, nach so vielen Jahren anstrengender fordernder Berufsarbeit.“

Schweigen ist nicht gleich Schweigen

Es gibt das gefüllte Schweigen, das uns beiden guttut. Wenn wir schweigend miteinander den Sonnenuntergang betrachten, den lauen Sommerabend auf der Gartenbank ausklingen lassen und den munteren Schwalben zusehen – da sind wir einfach glücklich, zu zweit zu sein, miteinander die Natur genießen zu dürfen und nichts tun zu müssen. Es gibt aber auch das bedrückende Schweigen: Jeder lebt sein eigenes Leben; wir haben resigniert. Es gibt zwar Wünsche aneinander, aber wir äußern sie nicht mehr, weil wir denken, dass wir sie sowieso nicht erfüllt bekommen. Ein Witz pointiert es so: Der Sohn ist Schauspieler und erzählt seinem Vater glücklich: „Ich soll einen Mann spielen, der seit 25 Jahren verheiratet ist.“ Der Vater stutzt kurz und antwortet dann: „Sehr schön, mein Sohn, aber achte beim nächsten Mal darauf, dass du eine Sprechrolle bekommst!“

Frauen finden Nähe durch Kommunikation

Meist leiden Frauen stärker unter „Schweigephasen“, weil sie durch Kommunikation zu Nähe finden. Ich fühle mich meinem Mann nahe, wenn ich ihm über meine Gedanken und Gefühle erzählen kann und ihn als aufmerksamen Zuhörer erlebe. Sein Zuhören signalisiert mir, er interessiert sich für mich. Ich folgere daraus: Er schätzt mich, er liebt mich.

Mein Mann empfindet als Mann – und deshalb anders als ich. Das heißt, er kann nicht verstehen, was in mir vorgeht, ohne dass ich ihm das erzähle und ihn bitte, mir zuzuhören und mir auch von sich zu erzählen. Er darf wissen, dass ich auf diesen Austausch angewiesen bin, weil ich sonst seelisch neben ihm verhungere. Er darf wissen, dass ich mich freue, welch guter Gastgeber er ist, wenn wir Freunde oder Bekannte einladen und wie viel er da plötzlich spricht. Ich darf ihm aber auch mitteilen, wie sehr ich mich quäle, wenn wir wieder alleine sind und er in sein Schweigen zurückfällt, weil ich daraus schließe: Ich bin ihm langweilig geworden, er unterhält sich nicht gern mit mir – weil er mich nicht mehr liebt? Ich darf ihm auch erzählen, dass ich spüre, wie dann die Enttäuschung in mir in Wut umschlägt, in Sarkasmus, in ständige Nörgelei – und mit der Zeit in depressive Zustände und völliges Desinteresse an unserer Sexualität.

Männer finden Nähe durch gemeinsame Erlebnisse und gemeinsames Tun

Männer erfahren sich stark im Tun: Holz spalten, Garten umgraben, am Computer arbeiten, tapezieren … Und oft haben sie ihre Frau gerne als „Handlanger“, aber durchaus im Sinne von „Gefährtin“ mit dabei: als jemand, der die Werkzeuge anreicht, der miterlebt, wie das Werk entsteht und sich vollendet, und der – für ihn am schönsten – bewundert, wie gut er das hinbekommt. Durch die lange Kinderphase konnte die Frau auf die Wünsche nach gemeinsamem Tun oft nicht im gewünschten Maß eingehen. Jetzt, wo es zeitlich wieder ginge, fragt er oft gar nicht mehr, weil er ihr Mittun nicht mehr gewohnt ist oder sich keine erneute Abfuhr holen will.

Klara erzählt: „Ich habe nie verstanden, wenn mein mir Mann aus dem Wohnzimmer zurief: ‚Komm, Klara, schau mit mir den Film!‘ Ich habe dann meist abgelehnt und gesagt: ‚In der Zeit kann ich auch nähen oder lesen. Wenn du einen Film schaust, können wir eh‘ nicht reden.‘ Jetzt erst habe ich verstanden, dass es seine Form von Aufforderung war: ‚Komm, lass uns Zeit miteinander verbringen, damit ich mich dir nahe fühlen kann.‘“ Doris ergänzt: „Mein Mann ist Förster. Seit einem Jahr begleite ich ihn wieder auf den Hochstand, wie in der Zeit, bevor wir Kinder hatten. Wir sitzen einfach da oben und warten; es passiert äußerlich gesehen nicht viel. Aber ihm tut es gut, dass wir es gemeinsam tun und ich an seinem Leben Anteil nehme, und mir tut gut, dass er das so schätzt!“

Unsere Beziehung lebendig erhalten

Männer können reden wie ein Buch, wenn es um den Beruf, Sport, Politik oder Wirtschaft geht. Da kennen sie sich in der Regel gut aus und können von Fakten ausgehen. Die Gespräche mit ihrer Frau dagegen verunsichern sie eher, weil es hier oft um Gefühle geht – und darüber zu reden, irritiert sie, weil sie es nicht gewohnt sind. Welcher Mann (welcher Mensch) begibt sich schon gern auf unbekanntes Gebiet? Doch nur wenn wir uns aufeinander beziehen, halten wir unsere Beziehung lebendig. Das Aufeinander-Beziehen geschieht im Gespräch und im gemeinsamen Tun. Es liegt an uns, beidem einen entsprechend hohen Stellenwert in unserer Partnerschaft einzuräumen. Dies wiederum geht aber nur, wenn wir einander erzählen und ehrlich mitteilen: Was brauche ich zurzeit, um mich dir nahe zu fühlen – und was brauchst du, um dich mir nahe zu fühlen?

Susanne erzählt: „Es hat gut getan, neulich abends beim Kartoffel-Stecken, meinem Mann gegenüber klarzustellen: ‚Ich will dich nicht fertigmachen oder überfordern mit meinem Wunsch nach Gespräch mit dir. Mir liegt nur viel an deinem Zuhören, an deinen Gedanken. An deiner Meinung. Deine Klarheit hilft mir, meine Gedanken und Gefühle zu sortieren und zu klären. Und ich fühle mich dir hinterher näher, kann besser auf dich zu- und eingehen, fühle mich insgesamt viel glücklicher.‘ Mein schweigsamer Mann hat sich bei mir bedankt, dass ich das so gesagt und erklärt habe. Er habe immer Angst vor den Gesprächen mit mir gehabt, er fragte sich, ob er meiner Redegewandtheit und Ausdrucksfähigkeit gewachsen sei und meine Ansprüche erfüllen könne. Jetzt, da er wisse, dass allein schon sein Zuhören mir helfe, meine Gedanken zu sortieren und ich dadurch seine Nähe suche, könne er viel entspannter damit umgehen und öfter dazu bereit sein. – Ich wünsche jeder Frau so ein klärendes Gespräch, wo bei zwei Menschen der ‚Groschen fällt‘“, fügte Susanne hinzu.

Männer lösen Probleme anders

Frauen sind ausgesprochen beziehungsbezogen und wollen sich über ihre Gefühle austauschen. Für sie bedeutet es eine große Erleichterung, sich die eigenen Probleme von der Seele zu reden – auch ohne im Moment die Lösung zu kennen. Männer hingegen übergehen bei sich die Gefühle eher und suchen gezielt nach der Lösung eines Problems – und das möglichst allein für sich. Die Mithilfe der Frau oder anderer wird dabei eher als Einmischung empfunden, die einem die eigene Kompetenz abspricht. Besser irgendeine Arbeit tun und sich zurückziehen – dabei kann „Mann“ prima nachdenken und Probleme lösen. Und es hilft ihm enorm, wenn „Frau“ sein „Höhlen-Tun“ akzeptiert.

Keine verschlüsselten Botschaften

Frauen sagen häufig nicht direkt, was sie denken, so dass leicht Missverständnisse entstehen. Männer dürfen lernen, zwischen den Zeilen zu lesen und nachzufragen, wenn sie sich nicht sicher sind, was ihre Partnerin meint. Frauen hingegen dürfen üben, direkt und unverschlüsselt auszudrücken, was sie meinen, anstatt darauf zu vertrauen, dass ihre verschlüsselten Botschaften schon irgendwie bei ihrem Mann ankommen werden. Anstatt zu sagen: „Im Nachbarort hat eine neue Weinstube eröffnet“, könnten sie ihren Wunsch direkt äußern: „Hast du Lust, dass wir Mittwoch zusammen das neue Weinstübchen besuchen?“

Ich wünsche Ihnen Mut, wieder einmal einen neuen Einsatz zum gegenseitigen Austausch (für sie) und Miteinander-Tun (für ihn) zu wagen. Schlimmstenfalls ändert sich im Moment nichts. Aber die Chance, wieder mehr Nähe zueinander zu finden, ist mindestens groß. Und eins kann ich Ihnen verraten und versichern: Maria, die Mutter der schönen Liebe, hilft ganz besonders gern in der Frage, ob jetzt Schweigen oder Reden angesagt ist; sie ist da sozusagen Spezialistin. Wie heißt es von ihr in der Bibel: Sie dachte darüber nach … Sie bewahrte alles in ihrem Herzen ... Sie ließ sich also von ihrem Schöpfer-Gott beraten, war mit ihm in der Ruhe und im Zwiegespräch und konnte dann auch seinen Rat hören.

Schweigen und Reden, beides ist für unsere Partnerschaft wichtig. Der eine beherrscht von Haus aus mehr das Schweigen, der andere mehr das Reden. Schön, dass Gott uns zusammengeführt hat, er traut uns zu, Neues zu entdecken und zu lernen, Herausforderungen anzugehen, neue Nähe zu finden.

In: BEGEGNUNG – Zeitschrift aus Schönstatt für Frauen 3/2017

Zeitschrift „begegnung“




 

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