Foto: K. Glas

Du an meiner Seite

17.04.2016


Die Kraft der weiblichen Bestärkung

Nein, ich liebe Star-Trek-Filme nicht. Geschichten, die nicht in unserem Leben spielen, kann ich nichts abgewinnen. Aber neulich, als ich mich doch dazu entschloss, mit Mann und Sohn mal mitzuschauen, fand ich eine interessante Episode, die sehr wohl mit unserem Leben zu tun hat: Auf der Suche nach Rettung vor einem gefährlichen Planeten lässt der Kommandant seinen Blick über den fremden Horizont schweifen, deutet in eine Richtung und sagt in selbstsicherem Tonfall: „Hier müssen wir entlang!“ Seine Kollegin – in der Lage, Gedanken zu lesen – fragt erstaunt: „Sie wissen nicht wirklich, wo es langgeht, nicht wahr? Sie tun zwar so, aber eigentlich raten sie nur. Geht es Ihnen eigentlich immer so?“ Seine Antwort: „Es gibt Momente, in denen man tun muss, als wäre man sich seiner Sache ganz und gar sicher!“

 

Tiefe Unsicherheit

Männer sind, wie wir Frauen auch, oft innerlich unsicher, vor allem wenn sie mit neuen, unbekannten Situationen konfrontiert sind. Obwohl in der Arbeitswelt von einem Neuling gar nicht erwartet wird, keine Fehler zu machen, sind Männer oft in ihrem tiefsten Inneren überzeugt davon, ständig beobachtet und beurteilt zu werden. Untersuchungsergebnisse bringen an den Tag, dass offenbar zwei Drittel der Männer unsicher sind, wie andere über sie denken – und zwar unabhängig davon, wie sicher oder unsicher sie selbst nach außen wirken. Auf Nachfrage hin äußern sie sich so: „Ich will gute und kompetente Arbeit leisten, bin mir aber oft unsicher. Bei vielen Dingen lehne ich mich ziemlich weit aus dem Fenster – und hoffe, dass es keiner merkt.“

 

Sehnsucht nach Wagnis

Diese tiefsitzende innere Unsicherheit hat aber bei näherem Hinsehen eine unerwartete Weggefährtin. Es ist die Sehnsucht, Wagnisse einzugehen und sich neuen Herausforderungen zu stellen. Ein Freund erzählte neulich: „Ich sollte für die Firma etwas Neues programmieren. Mein Chef kam und erklärte mir, was das Ergebnis sein sollte. ‚Fühlen Sie sich dazu in der Lage?‘, fragte er mich. Ich hörte mich antworten: ‚Aber natürlich, machen Sie sich mal keine Sorgen!‘ Tatsache ist aber, dass ich mir Sorgen mache, denn ich habe keine Ahnung, ob ich das hinkriege, im Moment hab‘ ich noch keine Idee dafür. Und meine innere Stimme sagt mir: ‚Was, wenn er herausfindet, dass ich im Grunde keine Ahnung habe?!‘“ Ein anderer Mann aus der Runde antwortete lächelnd: „Dann wird ihm hoffentlich einfallen, dass du ein Mann bist und deshalb deine innere Unsicherheit durch äußere Sicherheit verdeckst. Und er wird hoffentlich gelassen abwarten, bis du mit deinem Ergebnis auftauchst!“

 

In seinem Buch „Du bist der Größte“ beschreibt Frank Maguire, leitender Angestellter bei Federal Express, dass er im Lauf der Zeit viele einflussreiche Führungspersönlichkeiten kennengelernt hat. Seine Bobachtung dabei war: Nach außen wirken sie, als seien sie ihrer Sache absolut sicher und würden keine Angst kennen. Doch bei näherem Hinsehen lässt sich feststellen, dass alle, welche Titel oder Positionen sie auch innehaben, ihre „Schätze“ in durchaus zerbrechlichen Gefäßen tragen.

 

Tiefe Unsicherheit auch zu Hause

Dieses ständige Hinterfragt-Werden und Sich-selbst-Hinterfragen hört am Abend nicht automatisch an der Tür zum eigenen Zuhause auf. Die pochende Frage nagt weiter: Kann ich hier bestehen oder nicht? Ein Mann formulierte es einmal so: „Zu Hause geht das Gefühl, überall beurteilt zu werden, weiter. Im Beruf habe ich einigermaßen Ahnung, was ich tun muss, um erfolgreich zu sein: hart arbeiten, meine speziellen Aufgaben gut erfüllen, mich weiterqualifizieren, mich mit dem Chef gut stellen usw. Aber was heißt es eigentlich, ein guter Ehemann und Vater zu sein? Es kommt mir manchmal vor, als wechsle die Antwort fast täglich – und die Gesellschaft sagt etwas anderes als meine Frau, und meine Frau sagt auch nicht jeden Tag das Gleiche, und jedes unserer Kinder hat noch mal seine eigene Meinung, was ein guter Vater ist und was nicht …“

 

An deiner Seite

Sicher, es ist die Aufgabe des Mannes, hier Klärung zu finden. Aber nicht nur. Wenn er sich ständig beurteilt erlebt und die Frage in sich trägt: „Genüge ich? Bin ich gut so, wie ich bin?“, dann habe ich als Ehefrau doch eine große Chance und einen starken Anteil daran, ihn zu unterstützen und zu bestärken. Ein erfahrener Ehe-Therapeut sagte einmal: „Bestätigung ist alles. Wenn ein Mann genügend Anerkennung empfängt, kann er die Welt erobern. Wenn es ihm dagegen an offen ausgesprochener Anerkennung mangelt, dann entweicht aller Lebenssaft und alle Spannkraft aus ihm; er wird bis auf den Grund seines männlichen Selbstverständnisses erschüttert. Und glauben Sie mir, er wird bewusst oder unbewusst nach Gelegenheiten suchen, bei denen er Bestätigung erfährt.“

 

Für Männer ist das Leben vor allem ein Konkurrenzkampf und erst in zweiter oder dritter Linie die Suche nach beglückenden Beziehungen wie bei uns Frauen. Deshalb ist der wichtigste Ort, an dem er seine Anerkennung finden sollte, unser Zuhause. Eine Umfrage ergab, dass nur einer von vier Männern der Meinung war, ihm werde zu Hause wirklich offen Anerkennung entgegengebracht. Sollten wir nicht entschieden daran arbeiten, diesen Durchschnitt zu heben? Als ich neulich eine Freundin besuchte, gab mir ein Blick in ihren Gewürzschrank eine gute Anregung dafür. An der Innenseite der Schranktür hing ein Notizzettel mit der Aufschrift: „Heute schon gelobt und offen meine Anerkennung ausgedrückt?“ Als ich den Zettel entdecke, grinst sie. „Erwischt! Wenn ich das Abendessen mache, erinnert mich das an meinen Vorsatz, zu überlegen und auszusprechen, wofür ich meinem Mann heute ganz konkret danken oder wofür ich ihm meine Wertschätzung ausdrücken kann. Beim Kochen kommen mir da meistens die besten Ideen ...“

 

Wenn Anerkennung anderswo gesucht wird

Wenn der Mann seine Anerkennung primär über die Berufstätigkeit sucht, kann es sein, dass er überdurchschnittlich viel Zeit am Arbeitsplatz verbringt. Und er wird das vor allem dann tun, wenn er zu Hause griesgrämig empfangen wird, weil er schon wieder Überstunden gemacht hat – anstatt dass „Frau“ ihm sagt, wie sehr sie und die Kinder ihn vermissen – weil sie ihn braucht und die Kinder über ihn Werte und Lebenswissen bekommen, die sie ihnen nicht geben kann.

 

Im Sport hören Männer öfters Anerkennung. „Guter Schuss!“ „Toller Schlag!“ Oder sie fühlen bewundernde Blicke von anderen auf sich.

Eine Ursache für Pornografie-Sucht bei Männern kann unter anderem auch die Suche nach Anerkennung sein. Ein Mann sagte es einmal ganz ehrlich: „Die Frauen dieser einschlägigen Männer-Magazine bzw. Internetseiten vermitteln mir: ‚Ich will dich! Du bist der begehrenswerteste Mann auf der Welt‘. Wenn meine Frau dann häufig nörgelt, die Kinder nicht auf mich hören und mein Arbeitsplatz in Gefahr scheint, fühle ich mich, wenn ich diese Seiten anschaue, trotzdem wie ein erfolgreicher Mann und flüchte mich deshalb dorthin ...“

 

Wenn Bestätigung wirklich der zentrale Schlüssel für den Mann ist, warum sollte er überall danach suchen müssen, anstatt bei seiner Frau? Es ist eine bekannte Tatsache, dass die Verstärkung von Unzulänglichkeits-Gefühlen zu selbsterfüllenden Prophezeiungen werden, während Bestärkung, Lob und Wertschätzung einen Menschen mit der Zeit über sich selbst hinauswachsen lassen.

 

Ein Rückzugsort ohne Leistungsdruck

Ein echter Rückzugsort – ist es nicht das, was wir unseren Ehemännern vor allem schenken können? Weil sie nach außen so viel männliche Sicherheit bekunden – eine Sicherheit, die nach innen aber oft gar nicht wirklich da ist –, realisieren wir selbst oft vielleicht nicht genügend, wie unsicher sie zuinnerst sind und wie gut ihnen unsere ehrliche Bestätigung tut, um von diesem ewig nagenden Leistungsdruck wegzukommen. „Danke, dass du den Wasserhahn repariert hast. Was täten wir nur ohne dein handwerkliches Geschick!“ – „Unglaublich, wie du unserem Sohn vermitteln kannst, dass er wichtig ist in deinem Leben.“ – „Ich bewundere, wie klar du deinem Chef gegenüber auftrittst, um deine Kollegen zu schützen“ – „Es tut mir so gut, wenn du deiner Mutter charmant, aber deutlich sagst, dass du jetzt hierher, in unser Zuhause gehörst und nicht mehr vor allem Sohn in ihrem Haushalt bist.“ – Es gibt täglich so viele Möglichkeiten, unserem Mann positive Rückmeldungen zu geben. Oft denken wir nur nicht daran, das auch laut zu äußern – oder wir meinen, unsere dankbaren Worte würden ihm nichts bedeuten. Vielleicht nehmen wir auch manches selbstverständlich, was es in Wirklichkeit aber gar nicht ist? Eine Bekannte sagte neulich verzweifelt: „Erst jetzt merke ich, wie viel mir Johannes abgenommen hat, wie viel er stillschweigend schon geregelt, repariert oder geklärt hat, bevor ich überhaupt gemerkt habe, was alles anstand. Ich glaube, ich habe es ihm viel zu wenig gedankt. Und jetzt ist es zu spät ...“

 

Bestätigung und Entspannung in der Sexualität finden

Auch wenn wir es vielleicht nicht wahrhaben wollen: Wir können uns noch so mühen, unserem Ehepartner Bestätigung zu schenken, wenn wir auf sexuellem Gebiet die „Rühr-mich-ja-nicht-an-Haltung“ vermitteln, wird er innerlich nicht zur Ruhe kommen. Denn er wird daraus schließen, dass er offenbar mal wieder nicht genügt und sie wohl lieber einen anderen hätte, der vielleicht besser auf sie eingehen kann, liebevoller mit ihr umgeht, anziehender auf sie wirkt (wobei wir in der Regel weit, sehr weit davon entfernt sind, das überhaupt zu denken). Immer und immer wieder nicht willkommen zu sein, kann ihn tief verletzen und erhöht gleichzeitig die Unsicherheit auf allen anderen Gebieten seines Lebens.

Allumfassendes Erlebnis

Die beste Metapher, um die Psyche eines Mannes zu beschreiben, ist die eines nahtlosen Gewebes. Männer sehen sich selbst als Einheit. Wenn ihr Sexualleben in Ordnung ist, dann wird sich dieses Gefühl auf alle anderen wichtigen Lebensbereiche auswirken. Das heißt aber auch: Wenn hier etwas nicht stimmt, dann kann – so scheint es für sie – auch der Rest des Lebens irgendwie nicht ganz in Ordnung sein. Männer können ihr Sexualleben nicht nur als kleinen Teil der Welt betrachten wie Frauen das oft tun. Für sie ist das Verlangen nach körperlicher Vereinigung mit ihrer Frau nicht nur eine Frage der Lust, wie es oft lieblos abgetan wird. Für sie ist Sexualität sozusagen ein lebensnotwendiger Test ihrer Identität. Nichts tröstet sie mehr, nichts stillt ihr Verlangen nach Geborgenheit mehr, nichts vermittelt ihnen stärker das beruhigende Gefühl, vollauf zu genügen, als das Wissen und Spüren, von ihrer Frau begehrt und geliebt zu sein.

 

„Wenn meine Frau meinen Wunsch, mich mit ihr zu verbinden, ernst nimmt und sich darauf einlässt, gern und freudig darauf einlässt, dann sagt das mehr als tausend Worte. Dann begreife ich neu, dass ich für sie das Wichtigste auf der Welt bin. Und das kann bei mir Krisen im Beruf, Ärger mit Freunden und x andere unangenehme Dinge völlig aufwiegen. Das intime Zusammensein mit ihr hilft mir, mit der tiefen Einsamkeit, die man als Mann oft empfindet, umgehen zu können, weil ich von dem Menschen, der mich am besten kennt, getröstet und mit neuem Lebensmut und neuer Kraft angefüllt werde.“

 

Gipfelstürmer

Ich muss oft daran denken, wie ein Mann einmal grundehrlich geäußert hat: „Alles hängt davon ab, ob meine Frau denkt, dass ich es schaffen kann. Ein Ehemann kann Drachen töten, Gipfel stürmen und die größten Siege erringen, selbst wenn er im Rollstuhl sitzt – solange er den Eindruck hat, dass seine Frau es ihm zutraut!“

Ist es nicht unglaublich, wie wir unsere Ehemänner mit einem offenen, anerkennenden Blick und mit dankbaren Worten über ihr Sein und Tun beflügeln können? Wie wir ihr Leben erleichtern und ihre Lebenslust erhöhen können? Und ist es nicht genau das, was wir ihnen bei der Trauung versprochen und zugesagt haben?

 

Ja, eigentlich schon ... Und doch bohrt sich, wenn ich ehrlich bin, gleichzeitig diese lästige innere Stimme nach oben, die da meint: „Mir würde Lob und Anerkennung von Seiten meines Mannes auch gut tun. Wie viel arbeite ich täglich, was einfach selbstverständlich genommen wird? Wo sieht jemand, was ich brauche?“ Verständlich. Aber im Nachdenken wird mir klar: Jetzt habe ich zwei Möglichkeiten: Ich kann abwarten, bis er mich endlich lobt und solange die Beleidigte spielen, oder ich werde aktiv und versuche ihm das zu geben, was sowohl mir als auch ihm fehlt.

Und die Ergänzung zur zweiten Variante: Ich erzähle dem Gott des Lebens, dass ich nichts, aber rein gar nichts, dagegen habe, wenn mein Mann – weil er spürt, wie gut ihm meine Anerkennung tut – auch aktiv wird und auch mir gegenüber wertschätzender wird. Und falls es „endlos“ dauert, habe ich ja immer noch meinen Mund, um ihm voller Charme zu sagen, wie sehr mein Herz aufspringt, wenn er mir mal wieder ein ehrlich gemeintes anerkennendes Wort sagt.

 

Aus: BEGEGNUNG, Zeitschrift aus Schönstatt für Frauen, 3/2015

www.zeitschrift-begegnung.de


 

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