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Glauben ohne Partner leben

23.04.2013

 


Sie stöbern in Bücherregalen, suchen verzweifelt nach dem 5-Punkte-Plan oder den magischen Sieben Schritten, die Ihren Mann zum Glauben führen. Sie geben sich die Schuld: „Wenn ich nur die überzeugenden Argumente hätte, wenn ich nur eine christlichere Ehefrau wäre, wenn ich nur ..., dann würde mein Mann endlich glauben und mit mir in die Kirche gehen und beten, und dann wäre unser Leben wunderbar.“

Birgit erzählt: „Und dann ertappe ich mich dabei, völlig unrealistisch weiterzuträumen: Wenn mein Mann glauben würde, würde er den Müll rausbringen und mit mir beten; er würde aufhören zu rauchen und den Fernseher ausmachen, um sich mit mir zu unterhalten oder über die vergangene Sonntagspredigt zu reden ...“

 

Allerdings träumen die dazugehörigen Männer nicht den gleichen Traum. Und unsere Freundinnen, die mit Männern verheiratet sind, die mit zur Kirche gehen, wissen nicht um diesen Traum, sonst würden sie erzählen, dass es „religiös gesehen“ eben nicht immer nur super läuft, dass sie als Ehepaar relativ selten über die Predigt oder den Glauben reden, dass es schwierig ist, miteinander zu beten und es schon lange nicht mehr dazu gereicht hat, dass der Fernseher trotzdem jeden Abend läuft und die gebrauchten Socken nicht im Wäschekorb, sondern – wie woanders auch – vor dem Bett liegen und, und, und ...

 

Der Wunsch, „ganz“ sein zu dürfen

Monika äußert sich ganz anders: „Ich sehne mich danach, gemeinsam zu Hause zu beten, über das Christsein zu sprechen, einen gemeinsamen Fasten-Vorsatz zu fassen, über das Jahr des Glaubens oder über pastorale Fragen zu diskutieren. Warum sehne ich mich danach? Ich möchte ganz gesehen und ganz angenommen werden: als Ehefrau, als Mutter, als Partnerin – und eben auch als Christin. Christsein ist für mich existentiell, und deshalb wäre es mir so wichtig, dass mein Mann, der mir so nahe steht, gerade dies auch unterstützen und positiv werten und mittragen würde.“

Nicht wenige Frauen haben oder nähren diese Vorstellung: Wie wäre es, wenn mein Mann es mit dem Christsein ernst nehmen würde …? Und mit den entsprechenden Erwartungen sitzen wir ihm gegenüber und reiben sie ihm unter die Nase – auch wenn wir kein einziges Wort aussprechen. Doch der Gedanke: „Was wäre, wenn ...“ ist der direkte Weg in die Enttäuschung und auf Dauer eine sichere Methode, um einen Keil zwischen die Ehepartner zu treiben.

 

Ich bin es leid!“

Der Mann wird es mit der Zeit leid, nicht zu genügen, weil er spürt, dass sein Wert einseitig nur noch am „Glauben oder nicht?“ gemessen wird. Er denkt: „Hoffentlich hört sie endlich mal damit auf!“ Sie denkt: „Hoffentlich fängt er endlich mal damit an!“ Immer wenn ich einen Menschen auf ein Merkmal reduziere, sehe ich all seine anderen Fähigkeiten und Anstrengungen nicht mehr oder nicht mehr genügend und werde ich ihm nicht gerecht.

Susanne erzählt: „Ich bin durch einen Glaubenskurs wieder mehr zum Glauben gekommen. Danach meinte ich, mein Mann müsse über den gleichen Weg dazu finden. Ich bearbeitete ihn ständig, doch den nächsten Glaubenskurs zu besuchen. Er ging immer mehr in Abwehrstellung und fand es im höchsten Maß ärgerlich, dass seine – früher doch so normale Frau – sich durch diesen Glaubenskurs so „zickig“ verändert hatte und plötzlich an ihm rumerzog. „

Erst Monate später“, beschreibt Susanne, „fiel mir beim ganzen Ärger auf meinen Mann und sein „Nicht wollen wie Ich wollte“ auf, wie liebevoll er mit anderen umging, wie er sich abrackerte, um Geld zu verdienen und wie er sich Zeit nahm, um mit unserem Großen im Keller zu basteln. Ich ging zu ihm und sagte: ‚Was für ein Glück, mit Dir verheiratet zu sein. Danke!’ Er sah mich ziemlich überrascht und düster an und meinte: ‚Aber ich glaube doch nicht …!‘ Da fiel mir mit ganzer Schärfe auf, wie weh ich ihm in den vergangenen Monaten getan hatte.“

 

Was heißt hier gläubig?

Das Jahr des Glaubens regt uns neu an zu fragen: Was heißt gläubig sein, religiös sein, religiös-praktizierend sein? Ist das alles gleichzusetzen? Wenn wir uns um unsere Kinder Sorgen machen und sagen, sie sind nicht mehr religiös, dann sagen wir das, weil wir sehen, dass sie sonntags nicht mehr in die Kirche gehen, dass sie vielleicht Zweifel angemeldet haben an der Existenz Gottes oder nicht mit uns über Glaubensthemen reden. Aber wissen wir denn wirklich, ob sie noch religiös sind oder nicht? „Religere“ heißt „zurückbinden an jemanden“ – in unserem Fall an Gott. Wissen wir, wie unser Mann denkt über Gott? Ob er die Formen ablehnt, mit denen die katholische Kirche ihrem Glauben Ausdruck gibt, ob er die Menschen ablehnt, die in den vorderen Reihen stehen, weil er schlechte Erfahrungen gemacht hat? Vielleicht hat er seine Art, den Glauben auszudrücken, noch nicht gefunden. Vielleicht reicht es ihm ganz einfach, wenn er seine Frau einmal im Jahr begleitet auf eine „Glaubens-Veranstaltung“ oder sie gern zu entsprechenden Veranstaltungen gehen lässt, weil es ihr gut tut und ihm das wichtig ist. Männer und Frauen glauben sehr verschieden; warum sollten sie auch gleich glauben, wenn sie auch im Zusammenleben völlig unterschiedlich denken, reden und reagieren? Dass wir als Mann und als Frau völlig unterschiedlich sind, erfahren wir jeden Tag; aber dass wir auch völlig unterschiedlich glauben und Gott verschieden ansehen, damit rechnen wir nicht.

 

Wer ist Gott für mich? Wer ist Gott für dich?

Vielleicht ist Gott für mich der Gute Hirte, der Vater, derjenige, der mich in die Arme nimmt, der Tröster ... Aber als Mann suche ich nicht unbedingt einen Vater, einen Tröster, einen Guten Hirten. Stattdessen brauche ich vielleicht eher einen Kollegen, der mir den Rücken stärkt, einen wohlmeinenden Chef, der mich versteht und zu dem ich kommen kann, wann immer ich etwas klären will. Und wenn ich im realen Leben einen komischen, machtgierigen, unfähigen Chef habe, kann ich vielleicht gar nicht daran glauben, dass ich in Gott einen tollen Chef finden könnte.

 

Männer wollen gebraucht werden

Wenn ein Mann gläubig ist, ändert er nicht automatisch seine männlichen Züge. Er bleibt – Gott sei Dank – Mann! Schieben wir – wenn es mit dem „nichtreligiösen Ehemann“ zu Problemen oder Kommunikationsschwierigkeiten kommt – nicht zu oft und zu schnell die Schuld auf unsere unterschiedliche Religiosität? In Wirklichkeit entstehen die Fragen aber dadurch, dass er ganz Mann ist und ich ganz Frau bin.

 

Männer fühlen sich in der Regel motiviert, wenn sie merken, dass sie gebraucht werden. Wenn ein Mann das Gefühl hat, er wird nicht gebraucht – als Ratgeber, als Erklärer schwieriger Sachverhalte, als Miteinbezogener, wenn die Kinder anrufen und die Mama am Telefon verlangen … –, wird er immer passiver und verliert den Elan. Er bemüht sich nicht mehr, verliert das Interesse, schaltet ab. Der Mann möchte auch von seiner Frau gefragt und gebraucht werden, aber nicht selten macht er die Erfahrung, dass andere nach ihm rufen, seine Frau aber alles alleine kann oder tut. Seine häufige Abwesenheit wegen seines Gebrauchtwerdens im Beruf und Ehrenamt hat uns ja dazu veranlasst, alles allein zu machen. Auch das Vordringen der Frauen in sämtliche Berufe, auch in solche, die lange Zeit hindurch Männern vorbehalten waren, erweckt bei manchen immer mehr den Eindruck, Männer seien vielleicht nicht mehr so nötig in unserer Welt.

 

Jedes Mal, wenn ich zu unabhängig werde“, sagt Elvira, „merke ich, wie mir mein Mann entgleitet.“ Wenn ein Mann nicht mehr das Gefühl hat, dass seine Frau ihre wichtigen Fragen mit ihm teilt und ihn braucht und ganz ernst nimmt, ist die Versuchung groß, sich eine andere zu suchen: eine, die ihn fragt, die sich von ihm etwas erklären lässt, die ihm zeigt: Ohne dich bin ich aufgeschmissen. Oder er investiert einfach mehr Zeit in den Beruf und ins Ehrenamt, weil er hier erlebt, wichtig und unersetzlich zu sein.

Wenn die Frau anfängt oder gewohnt ist, mit allen Konflikten und Fragen zuerst oder nur zu Gott zu gehen, dann meint mancher Mann, dass jetzt ein anderer seinen Platz eingenommen hat. „Wenn sie Jesus hat, braucht sie ja mich nicht!“, und schon sitzt er beim Boxkampf, schaltet ab vom Familienunternehmen und ist eifersüchtig.

Ich brauche meinen Mann als Vertrauten, Beschützer, Versorger, Liebhaber, Vater unserer Kinder, Fels, Freund ... Natürlich werde ich meine Anliegen und Bedürfnisse zu Gott bringen, aber ich werde auch erkennen, dass Gott viele meiner Bedürfnisse durch meinen Mann erfüllen kann und will. Also ist er in meinem Glauben mit drin; Gottes Liebe fließt sozusagen durch ihn hindurch mir zu.

 

Inkompetent – mag ich nicht

Manche Männer helfen beim Aufbau des Gemeindefestes; sie arbeiten mit, wenn es darum geht, die Weihnachtsbäume in der Kirche aufzustellen; sie wechseln einer Alleinerziehenden aus der Gemeinde die Winterreifen – aber würden nie mit in die Kirche gehen. Eine tiefe Angst eines Mannes ist es, inkompetent zu sein, unsicher zu sein, wie er sich verhalten soll oder was er sagen soll, wenn er sich in einem Bereich nicht auskennt. Deshalb meidet er entsprechende Situationen – und wenn sich diese Unsicherheit auf die Kirche oder Messe bezieht, dann meidet er eben diese.

 

John Gray, ein amerikanischer Ehetherapeut sagt: „Generell kann man davon ausgehen, dass eine Frau, die einem Mann ungebeten ihre Hilfe anbietet, keine Ahnung hat, wie kritisch und lieblos sie ihm dadurch erscheint. Ein ungebetener Ratschlag vermittelt: Ich halte dich für inkompetent! Wenn man ihm die Ehre zuteil werden lässt, ihm keinen Rat zu geben, dann ist das wie ein Geschenk, vergleichbar mit einem Liebesbrief.“ Gott selbst hat den Mann so geschaffen, damit er letztlich bei ihm das Gefühl findet, kompetent zu sein. Und die Frau tut gut daran, anzuerkennen, dass es Gottes Aufgabe ist, das Herz ihres Mannes zu öffnen und auszufüllen – und nicht ihre. Alle „gutgemeinten“ Versuche, ihm zu „helfen(!)“, religiöse Fragen zu erörtern, sind meist nicht das, was er braucht. Was er nötig hat ist Liebe und Anerkennung, Wertschätzung und ehrliches Gefragt-Sein.

 

Ich bin dein größter Fan

Das kann konkret heißen: Mal wieder mitgehen, wenn er Fußball spielt oder seine Mannschaft trainiert, und sein Fan sein. Nicht abfällig über seine Arbeit reden. Ihn um Rat oder um Hilfe bitten. Ihn oft berühren. Ihm sagen, wie wichtig er für mich ist. Sich an der gemeinsamen Sexualität freuen. Ihm sagen, dass er gut (zärtlich, liebevoll, geduldig ...) ist. Vor den Kindern positiv über ihn reden; ihn niemals in der Öffentlichkeit kritisieren – auch dann nicht, wenn es witzig gemeint ist.

 

Im Bund mit der Frau, die uns versteht

Bitten wir Maria, uns zu zeigen, wie wir unsere Männer in ihrer männlichen Art unterstützen können. Sie hat Erfahrung und gibt sie gerne weiter. Sie lädt uns auch ein, mit unserem Schmerz zu ihr zu kommen: wenn wir uns in manchen Dingen und Themen nicht verstanden fühlen oder darunter leiden, dass wir Glaubensinhalte nicht richtig „rüberbringen“ können, weil unsere Betrachtungsweise aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln erfolgt.

Seien wir wieder neu offen für das „Geschenk Ehemann“, das Gott uns gemacht hat, und lassen wir nicht zu, dass wir eine innere „Mängel-Liste“ erstellen und darauf unseren ganzen Fokus richten. Bei unserer Trauung hat Gott versprochen, mitzugehen, und er hat nicht die Bedingung eingebaut: „Ich bin bei euch – aber nur, wenn ihr beide jeden Tag zusammen betet.“ Gott ist in unserer Ehe voll dabei, unabhängig davon, wie religiös oder nicht religiös sich der Mann nach außen hin verhält. Denn jedes Mal, wenn ein Ehepartner – in diesem Fall die Frau – vor Gott tritt, ist der andere automatisch mit dabei. Schließlich sind wir „ein Fleisch ...“

 

Aus: BEGEGNUNG, Zeitschrift aus Schönstatt für Frauen, 1/2013

www.zeitschrift-begegnung.de

 


 

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