Eiskristalle © K. Glas

Depression - Info to go

17.01.2011

 

Beispiel aus dem Leben

 

Frau D. (55) ist Hausfrau und Mutter dreier erwachsener Kinder. Zum Psychotherapeuten wird sie von ihrer Cousine gebracht, weil sie Angst hat, einen Unfall zu bauen: sie leidet seit dem Tod der Mutter vor drei Monaten unter Konzentrationsproblemen. Frau D. ist dauernd niedergeschlagen und hilflos. Nachts wacht sie oft auf und grübelt über den Verlust nach: „Mein Kopf ist voll mit 1000 Gedanken“. Sie kommt keinen Tag vor11 Uhr aus dem Bett und muss sich zu alltäglichen Verrichtungen (z.B. Essen kochen) zwingen. Den Gang zum Grab der Mutter meidet sie, weil sie Angst hat, von negativen Gefühlen überwältigt zu werden. Von ihrem Mann fühlt sie sich zu wenig unterstützt. Sie hat auch keine Lust mehr, mit ihm zu schlafen. „Ich kann den Verlust einfach nicht überwinden. Manchmal denk' ich daran, Tabletten einzunehmen, dass ich endlich Ruhe habe“.


Typische Symptome

 

Die Depression erfasst den ganzen Menschen. Dementsprechend treten sowohl körperlich-seelische Beschwerden als auch zwischenmenschliche Probleme auf.

Haupt-Symptome: Depressive Verstimmung und/oder Freudlosigkeit.

 

Körperliche Beschwerden: Schlafstörungen, Müdigkeit, Appetitverlust und Gewichts-abnahme, Schmerzen, körperliche Unruhe oder Verlangsamung.

Psychische Beschwerden: Antriebs- und Energielosigkeit, niedriges Selbstwertgefühl, Konzentrationsprobleme, Energielosigkeit, Grübeleien.

Verhalten und zwischenmenschliche Probleme: Reizbarkeit, Rückzug von Familie und Freunden, Vermeidung sexueller Begegnungen mit dem Partner.

 

Infos zur Diagnose: Störungswissen

 

Verbreitung

Depressionen gehören weltweit zu den häufigsten seelischen Störungen - Tendenz steigend. Im Jahr 2000 war die Depression zehnmal so weit verbreitet haben wie 1960. Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Depression zu erkranken, beträgt etwa 20%. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.

 

Symptome

Das Wort „deprimere“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „niederdrücken“. Es gibt immer wieder einmal Stunden, in denen man sich deprimiert fühlt. Von einer Depression spricht man aber erst dann, wenn dieser Zustand mindestens zwei Wochen anhält.

In dieser Zeit fühlen sich die Betroffenen entweder niedergedrückt oder sie empfinden keine Freude mehr. Typischerweise kann der Depressive schlecht schlafen, weil ihm ständig trübe Gedanken im Kopf sind, er kann sich kaum konzentrieren, ist tagsüber ohne Energie und Tatkraft. Oft hat er auch keinen Appetit mehr und verliert an Gewicht. Das Selbstwertgefühl ist am Boden: man fühlt sich als Versager.

 

Menschen, die unter einer schweren Depression leiden, sind manchmal lebensmüde: Fast jeder Zweite versucht sich das Leben zu nehmen. Sie wollen ihre Ruhe haben – nicht vor dem Partner oder den Kindern (!), sondern vor aufdringlich-quälenden Gedanken und Gefühlen. Leider begehen 15% der depressiven Personen Suizid. Von „Freitod“ oder „Selbstmord“ kann keine Rede sein. Wer schwer depressiv ist und nicht behandelt wird, kann nach einiger Zeit nicht mehr.

Gefährlich kann es auch für Menschen werden, die zusätzlich an einer Herzerkrankung leiden. Sie haben ein dreifach erhöhtes Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben - wenn sie nicht behandelt werden.

Leider wird derzeit in Europa nur jede dritte Depression erkannt. Und nur jeder zweite, der wegen Depressionen einen Arzt aufsucht, bekommt auch die richtige Behandlung (Psychotherapie oder Antidepressiva). Die nachfolgenden Infos sind deshalb besonders wichtig.

 

Diagnose und Verlauf

Am häufigsten kommt die „Typische Depression“ oder „Major Depression“ vor. Diese Krankheit verläuft in Phasen: die oben genannten Symptome treten phasenhaft auf. Wird kein Arzt oder Psychologe aufgesucht, dauert eine depressive Episode im Durchschnitt 3 – 4 Monate. Die depressiven Phasen können leicht, mittel oder schwer ausgeprägt sein. Auch treten zusätzlich oft weitere Krankheiten auf, v.a. Ängste und psychosomatische Krankheiten. Die Depression hat viele Gesichter.

 

Bei einem Drittel der Betroffenen klingt die Depression nach einiger Zeit wieder ab - sie haben für den Rest des Lebens ihre Ruhe. Ein weiteres Drittel erlebt immer wieder einmal depressive Episoden. Bei einem weiteren Drittel macht sich die Depression quasi selbständig: sie bleibt bestehen - trotz Psychotherapie und Medikamenten.

Viele Betroffene berichten, dass vor ihrer Depression ein kritisches Lebensereignis passiert sei (Trennung/Scheidung, Tod eines Angehörigen, Arbeitslosigkeit). Auch litten viele jahrelang unter Ängsten, ohne dass sie deswegen beim Therapeuten waren (siehe „Info to go“: Generalisierte Angst, Panikstörung mit Agoraphobie).

Auch die Gene spielen eine Rolle: Als Kind depressiver Eltern hat man ein erhöhtes Risiko, selber an einer Depression zu erkranken.

Wer in den ersten 14 Lebensjahren körperlich misshandelt oder sexuell missbraucht wurde, hat ebenfalls ein höheres Erkrankungsrisiko. Allerdings – und das ist wichtig – besteht keine 1:1-Beziehung nach dem Motto: wer eine schlechte Kindheit hat, wird als Erwachsener depressiv. Tatsächlich entwickeln drei Viertel aller Traumatisierten gar keine seelische Störung. Gute familiäre und freundschaftliche Bindungen sowie sinnvolle Arbeits- und Freizeitbeschäftigungen helfen ihnen nämlich dabei, gesund und seelisch stabil zu bleiben.

 

Am zweithäufigsten kommt die „Dysthymia“ vor. Diese Krankheit ist in der Regel weniger stark ausgeprägt. Dafür wird sie aber auch leichter übersehen – auch von Ärzten. Menschen mit einer dysthymen Störung leiden mindestens zwei Jahre lang unter depressiven Stimmungen. Sie fühlen sich nie richtig glücklich. Darüber hinaus leiden sie mindestens unter zwei der folgenden Beschwerden: Appetitveränderungen, Schlafstörungen, Energiemangel, niedriges Selbstwertgefühl, Konzentrationsprobleme und Hoffnungslosigkeit.

 

Infos zur Therapie: Änderungswissen

 

7 Regeln der Selbsthilfe

  1. Akzeptieren Sie, dass Sie von einer Depression betroffen sind. Sie haben nichts falsch gemacht. Depression kann jeden treffen - auch gläubige Menschen.

  2. Depression ist eine seelische Erkrankung, die man gut mit kognitiver Verhaltenstherapie oder Medikamenten behandelt kann.

  3. Nehmen Sie Ihre depressiv-negativen Gedanken ernst , aber glauben sie nicht daran! Sie verschwinden wieder, wenn Sie in Behandlung gehen.

  4. Machen Sie einen Wochenplan und setzen Sie sich kleine Ziele. Während der Depression ist es normal, dass man sich zu vielem zwingen muss.

  5. Bleiben Sie morgens nicht im Bett liegen. Das verschlimmert die Depression.

  6. Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen bzw. einer Freundin. Bitten Sie um Verständnis und Unterstützung. Wenn Sie gläubig sind, bitten Sie diese auch, für Sie zu beten.

  7. Wenn einige der oben genannten Symptome auf Sie zutreffen, führen Sie bitte den folgenden Selbsttest durch: www.kompetenznetz-depression.de/betroffene/selbsttest.htm

 

Psychotherapie

Die Behandlung einer Depression Therapie wird von einem Psychologen oder Arzt durch-geführt. Experten sind Psychologische Psychotherapeuten, Ärztliche Psychotherapeuten sowie Psychiater.

 

Wenn sie einige der o.g. Symptome bei sich oder Familienangehörigen erkennen, sprechen Sie am besten mit Ihrer Hausärztin.

Sie können sich auch direkt an einen Therapeuten wenden. Die „Gelbe Seiten“ listen sie auf unter der Rubrik „Psychotherapie: Psychologische Psychotherapeuten“.

Oder sie schauen im Internet nach: www.psychotherapiesuche.de

Seien Sie vorsichtig bei Personen, die in der Tageszeitung psychologische Hilfe anbieten. Psychotherapeuten sind gefragte Fachleute: sie dürfen und brauchen keine Werbung machen. In manchen Gegenden muss man mit Therapie-Wartezeiten zwischen 6 und 24 (!) Monaten rechnen.

 

7 Schritte einer Verhaltenstherapie
Eine Verhaltenstherapie findet wöchentlich oder 14-tägig statt. Eine Sitzung dauert 50 Minuten. Eine Therapie besteht üblicherweise aus 30 – 50 Sitzungen.

Phase 1: Diagnostik

Am Anfang wird genau abgeklärt, ob Sie wirklich von einer Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung betroffen sind. Der Psychotherapeut stellt gezielte Fragen zu den oben genannten Symptomen stellt und setzt eventuell einen Depressionsfragebogen ein.

Phase 2: Gute Bindung

Es ist wichtig, dass Sie sich von Anfang an, bei dem Psychotherapeuten wohl fühlen und den Eindruck haben „Der ist fachlich kompetent!“. Ein guter Therapeut wird alle ihre Fragen beantworten und sie auch telefonisch zurückrufen, falls Sie in argen Nöten sind.
Phase 3: Informationen und Schaubilder

Der Verhaltenstherapeut erarbeitet mit Ihnen eine persönliche Herkunfts- und Änderungs-Geschichte: Sie verstehen, wie es zur Depression kam und was sie dagegen tun können.

Von Anfang müssen Sie mitarbeiten („Hausaufgaben“). Denn ohne Ihre Mitarbeit, wird nichts besser.

Phase 4: Aufbau von positiven Aktivitäten

Weil man sich durch die Depression zurückzieht, muss man schrittweise lernen, wieder Schönes erleben und zu empfinden. So wie der Appetit oft erst beim Essen kommt, kann man Positives erst wieder erleben, wenn man eine Zeit lang z.B. wieder Gitarre spielt oder sich mit einer Freundin trifft.

Phase 5: Aufbau von Selbstvertrauen

Oft ist das Selbstwertgefühl bei der Depression am Boden. In der Verhaltenstherapie lernen Sie im Rollenspiel, wie Sie richtig „Nein sagen“ oder wie Sie Ihren Partner dazu bringen, etwas Schönes mit Ihnen zu unternehmen. Durch die ständigen häuslichen Übungen werden Sie mit der Zeit selbstsicherer.

Phase 6: Gute Gedanken entwickeln

Alle Depressiven leiden unter negativen Gedanken: man wertet sich selber ab, hat eine schlechte Meinung von den anderen und denkt oft hoffnungslos. Mit Hilfe von Arbeitsblättern lernt man seine negativen Gedanken kennen. Der Therapeut hilft Ihnen, förderliche Gedanken zu entwickeln, die Sie im Alltag ausprobieren können.

Phase 7: Umgang mit Rückschlägen

Das Leben selbst ist sehr wirkmächtig. Rückschläge sind normal. Deshalb lernen Sie persönliche „Frühwarnsymptome“ der Depression kennen und Techniken, wie sie damit umgehen können. Die letzten Therapiesitzungen werden in größeren Zeitabständen durchgeführt, damit Sie sich im Alltag bewähren können. Sollte nach einer erfolgreichen Therapie Jahre später erneut eine Depression auftreten, sollten Sie erneut eine Verhaltenstherapie machen.

 

Literatur

 

Bauer, J. (2007). Das Gedächtnis des Körpers. Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern. Müchen: Piper Verlag.

Beesdo, K. & Wittchen, H.-U. (2006). Depressive Störungen: Major Depression und
Dysthymie. In: Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (Hrsg.). Klinische Psychologie und
Psychotherapie, S. 732 -762. Berlin: Springer.

Seligman, M.E.P. (20095). Der Glücksfaktor. Warum Optimisten länger leben.
Bergisch Gladbach: Lübbe.

 

Ratgeber für Betroffene und Angehörige

 

Wittchen, H.-U. u.a. (1995). Hexalratgeber Depression. Berlin: Karger.

 


 

© 2024 Klaus Glas | Impressum | Datenschutzhinweise