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Grundängste im Menschen

17.03.2018

 

Da Menschen völlig unterschiedlich sind, unterscheiden sie sich auch in ihren Ängsten. Und doch existieren vier Grundängste im Menschen, je nach Temperament und Typ unterschiedlich stark ausgeprägt. Sie geben die Grundrichtung vor, warum ein Mensch vor etwas Angst hat, während sein Nachbar vielleicht kaum oder gar nicht davon erschüttert wird. Der Schweizer Psychologe und Konfliktmoderator Christoph Thomann erklärt diese Typen folgendermaßen.

 

Nähe-Typ“

Sucht Frieden um jeden Preis, wenn er nur nicht ohne die anderen leben muss. Seine große Sehnsucht nach Nähe und Dazugehörigkeit sowie seine Angst vor Verlust der Nähe macht ihn leicht zum Ja-Sager und zum Opfer von Ausgenutzt-Werden. Die Botschaft der „bellenden Hunde“ an ihn: Grenze dich ab. Sieh auch deine eigenen Bedürfnisse. Entdecke deine Besonderheit und lebe, ohne dich ständig eingeengt nur nach den anderen zu richten.

 

Distanz-Typ“

 Als Einzelkämpfer, entscheidungsstark, souverän, fürchtet er sich vor zu viel Nähe und Hingabe sowie davor, sich auf andere verlassen zu müssen, sich korrigieren zu lassen, von anderen zu lernen, die eigenen Besonderheiten im Kontakt mit ihnen zu verlieren. Die heilsame Botschaft an den Distanz-Typ: Andere sind keine Bedrohung. Hinter deiner Angst vor Nähe steckt eine große Feinfühligkeit und Empfindsamkeit. Lebe sie, profitiere davon und entdecke Gefühle des Miteinanders als stärkend und weiterbringend.

 

Dauer-Typ“

Liebt Ordnung, ist zuverlässig und pünktlich, hat ein hohes Maß an Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein. Die Kehrseite ist ein Hang zu Perfektion, Ausübung von Kontrolle, Übervorsichtigkeit, Nörgelei und Kritiksucht. Veränderungen stören und beunruhigen ihn, machen ihm Angst. Die „bellenden Hunde“ zeigen ihm: Neues bringt frischen Wind ins Leben. Loslassen einüben und Unerwartetes willkommen heißen, lehrt Neues zu schätzen und weitet den eigenen Lebenshorizont ungemein.

 

Wechsel-Typ“

Er liebt die Veränderung, improvisiert gern, ist risikofreudig, neugierig, lebt aus dem Augenblick heraus, sprüht vor Ideen, mag Publikum. Schattenseiten sind seine Unzuverlässigkeit, sein Hang zur Übertreibung, eine starke Tendenz zur Selbstdarstellung, geringe Frustrationstoleranz und das Einfordern von Sofortbefriedigung seiner Wünsche. Die Angst vor Festlegung und einzuhaltenden Verpflichtungen, vor sich wiederholenden Abläufen, die möglicherweise mit Langeweile verbunden sind, macht es ihm schwer, die weiterführende Botschaft der Angst zu hören: Wiederholungen stabilisieren. Konstanz kann zu mehr Sicherheit führen. Vertrauen und Verlässlichkeit schenken Lebenstiefe.

 

Und meine Grundangst?

Es lohnt sich, drüber nachzudenken: Welche Grundangst ist bei mir, bei meinem Mann, bei unseren Kindern besonders ausgeprägt? Aber vor allem: Welche ermutigende und lebenserweiternde Botschaft steckt hinter dieser Angst?

Für Antonia hat sich diese Mühe ausgezahlt. Als Nähe-Typ weiß sie jetzt, warum sie so Angst davor hat, anderen zu widersprechen oder zu ihrer Meinung zu stehen, sich abzugrenzen und auch mal Nein zu sagen. Dieses Wissen hat sie ermutigt, neue Verhaltensmuster auszuprobieren. Ihr Mann als Distanz-Typ ist da sehr hilfreich. Wenn wieder einer dieser „Du-hilfst-doch-ganz-bestimmt-nicht-wahr-Anrufe“ kommt – Hubert sieht es schon an ihrem Gesicht und hört es an ihrem zögernden Tonfall –, dann wedelt er mit der „Nein-Karte“ und ruft leise: „Es passiert gar nichts, wenn du absagst. Ich liebe dich auf jeden Fall!“

 

Neulich lachten beide lauthals miteinander, weil es Antonia zum ersten Mal wagte, Hubert eine Bitte abzuschlagen, die zu erfüllen ihr zeitlich gerade unmöglich war. Seine Stirn umwölkte sich, er wollte losdonnern – denn ihm als Distanz-Typ fällt es ja sowieso schwer, andere um Mithilfe zu bitten und dann auch noch eine Absage einstecken zu müssen –, aber dann machte es bei beiden „Klick“ und sie gratulierten sich gegenseitig zum Mut, auf die „bellenden Hunde“ zu hören. Und um diesen kleinen Erfolg zu feiern, ging‘s abends noch ins Weinstübchen.

 

In: BEGEGNUNG – Zeitschrift aus Schönstatt für Frauen 2/2017

Zeitschrift „begegnung“

 


 

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