Foto: Helene Souza/ pixelio.de

Für uns brach eine Welt zusammen

07.10.2012


Kinder leben nicht immer das Leben, das sich Eltern für sie wünschen und erhoffen. Homosexualität ist dabei eine Lebensform, mit der sich besonders viele Menschen schwer tun. Ein Vater erzählt von seinem Umgang damit.

 

unser weg: Lieber Herr N., dass Kinder eigene Wege gehen, die mit Ihren Vorstellungen nicht übereinstimmen, haben Sie vor ein paar Jahren erfahren müssen. Was ist da geschehen?

 

Herr N.: Unsere älteste Tochter hat uns vor einigen Jahren nach einem gemütlichen Abendessen erzählt, dass sie lesbisch ist und eine andere Frau liebt. Sie studierte und lebte zu diesem Zeitpunkt in einer anderen Stadt. Für uns brach eine Welt zusammen. Meine Frau konnte an dem Abend nichts mehr sagen und fiel in eine Art Lethargie. Ich versuchte im Gespräch mit unserer Tochter herauszufinden, ob es einen Grund für diese Entscheidung gab.

 

unser weg: Welche Beziehung hatten Sie zum damaligen Zeitpunkt zu Ihrer Tochter?

 

Herr N.: Wir hatten ein sehr enges Verhältnis. Sie kam mit all ihren Sorgen immer zu uns und wir waren sehr vertraut miteinander. Umso größer war der Schock für uns. Auch für unsere Tochter war es schlimm, uns so leiden zu sehen.

 

unser weg: Wie erging es Ihnen und Ihrer Frau in der Folgezeit?

 

Herr N.: Es waren sehr schwere Wochen und Monate. Meine Frau war verzweifelt. Sie dachte, dass es an unserer Erziehung liegen müsse, dass wir dran schuld seien. Sie machte sich selbst große Vorwürfe. Ich ging lange davon aus, dass meine Tochter nur den richtigen Mann kennen lernen müsse, damit sie einsehen würde, dass es verkehrt war so zu leben. Wir haben unsere Kinder im christlichen Glauben erzogen und immer viel Wert auf unsere Familie gelegt. Dass sie so ganz anders leben wollte, konnte ich lange Zeit nicht verstehen.

 

unser weg: Haben Sie einen Weg gefunden, miteinander umzugehen?

 

Herr N.: Unsere Tochter hat es uns nicht schwer gemacht. Sie ist ein überaus liebenswürdiger Mensch, verbringt viel Zeit mit uns und kümmert sich sehr. Ich habe von ihr lernen dürfen, dass Homosexualität kein Lebensentwurf ist, den man wählt, keine bewusste Entscheidung. Es gibt verschiedene Erklärungsmodelle, doch damit wollten wir uns nicht beschäftigen. Meiner Frau und mir ging und geht es darum, mit unserer Tochter verbunden zu sein, sie zu lieben, so wie sie ist. Da haben wir uns mit der Zeit hinein gearbeitet.

 

unser weg: Was gab und gibt Ihnen Kraft?

 

Herr N.: Die Erkenntnis, dass Gott uns diese Tochter geschenkt hatte, genauso wie sie war und ist. Ich habe Gott mein Fragen hingelegt, gehadert, geweint und gekämpft. Ich habe dabei erfahren dürfen, dass es nicht um unseren Willen geht, sondern um das JA sagen zu dem, wie es ist. Als vor einiger Zeit meine Frau schwer krank war, war es diese Tochter, die Zeit hatte und immer da war. Unsere anderen Kinder leben mit ihren Familien außerhalb unserer Stadt. Sie sind auf Grund ihrer Familien- und Berufssituation viel unflexibler. In dieser Zeit dachte ich mir einmal mehr, wer weiß denn schon, für was alles gut ist.

X.

Aus: unser weg, Schönstatt Familienmagazin 1/2011

www.unserweg.com


 

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