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Hilfe, ich kann mich nicht entscheiden!

18.05.2019


Wahlfreiheit führt oft zu Unentschiedenheit

Welche Hose ziehe ich heute an? Wen lade ich zu meinem runden Geburtstag ein? Bei welchen Projekten will ich mich dieses Jahr engagieren? In der reichen, westlichen Welt haben wir eine Menge Freiheiten. Aber viele Menschen leiden unter der Qual der Wahl und entscheiden sich am Ende für – gar nichts. Das konnte man in einem Experiment zeigen. In einem Lebensmittelladen konnten die Kunden vor dem Kauf sechs verschiedene Marmeladen probieren. Am Ende kaufte immerhin jeder Dritte etwas. Als man die Situation änderte und 24 Marmeladen anbot, naschten die Kunden zwar mehr, aber nur drei Prozent von ihnen ging mit einem Glas Marmelade nach Hause. Die Qual der Wahl hatte einen lähmenden Effekt auf das Verhalten. Nun sind Marmeladen eine Sache. Aber wie sieht es mit der großen Freiheit bei uns Menschen aus?

Unentschiedenheit ist im Kommen
Millionen von Singles suchen nach einem Partner. Viele gehen dafür aber gar nicht mehr unter die Leute. Vom Sofa aus durchstöbern sie per Handy Singlebörsen und Partnervermittlungen im Internet. Es werden Dates ausgemacht, und wenn es etwas ernster wird, zieht man in eine gemeinsame Wohnung. An Heirat oder gar Kinder denken viele dieser Paare noch nach Jahren nicht. Es könnte ja sein, dass einem die Traumfrau oder der Traumprinz doch noch über den Weg läuft. Frau und Mann möchte sich alle Optionen offen halten. Der Trend zu einem Leben mit wenig äußerer Bindung hat europaweit zugenommen. So hat sich die Anzahl der „nichtehelichen Lebensgemeinschaften“ in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Der Anteil der Ehe an allen Familienformen hat sich dagegen im gleichen Zeitraum um ein Drittel reduziert.

Entschiedenheit macht glücklich  
Sind diejenigen, die sich beziehungsmäßig ein Hintertürchen offen halten, vielleicht besser dran? Mitnichten!  Untersuchungen in Europa, Kanada und den USA zeigen, dass Paare, die vor der Ehe auf Probe zusammen lebten, mehr Probleme miteinander hatten und eine höhere Trennungsrate aufwiesen als traditionelle Paare. Kinder, deren Eltern bei ihrer Geburt nicht verheiratet waren, hatten gar eine 5-mal höhere Wahrscheinlichkeit eine elterliche Trennung mitzuerleben, als Kinder, deren Eltern verheiratet waren.

Das Wort Ehe ist etymologisch mit Ewigkeit verwandt ist, darauf verweist der Theologe und Pädagoge Bernhard Laux. Für den vierfachen Familienvater ist „erklärte Liebe“ Besonderes. Das in der Kirche vor anderen geäußerte Versprechen lebenslanger Treue hat seiner Überzeugung nach einen erheblichen Einfluss auf das Lebensgefühl und das Verhalten der Ehe-Partner. Der renommierte Sozialpsychologe David G. Myers konnte das empirisch bestätigen: „Die Ehe ist nicht nur ein Prädiktor für Glück, sondern auch für physische und psychische Gesundheit, sexuelle Befriedigung und Einkommen.“

Warum das Familienleben wichtiger ist
Aber die Ehe ist heute von einer Gesellschaft her gefährdet, die mehr Wert auf gute Arbeit als auf gute Bindungen zu legen scheint. Für das persönliche Wohlergehen von Berufstätigen ist es jedoch wichtig, in familiäre Bindungen zu investieren. Das hat ein Team um den Psychologen Jeffrey Greenhaus herausgefunden. Die Wissenschaftler untersuchten eine Berufssparte, in der gemeinhin mit harten Bandagen gekämpft wird:  Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Weil die Forscher die „work-family-balance“ im Blick hatten, richteten sie ihr Augenmerk auf berufstätige Frauen und Männer, die eine Familie mit mindestens einem Kind hatten. Erfasst wurde, wie viel Zeit die Befragten bei der Arbeit bzw. in ihren Familien verbrachten. Das auch für die Psychologen überraschende Ergebnis: Das Lebensglück war bei den Personen am höchsten, die sich emotional mehr in ihre Familie als in ihre Arbeit einbrachten! Die klare Entscheidung, sich zeitlich und emotional in Ehe und Familie zu engagieren, führte zu mehr psychischem Wohlbefinden und einer besseren körperlichen Gesundheit.

Das hat auf andere Weise auch Bronnie Ware erfahren. Die Palliativpflegerin hat einige Jahre lang Menschen bis zum Tod begleitet und darüber das Buch „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ geschrieben. Als das Leben zu Ende ging, haben viele Menschen ihr erzählt, sie bedauerten es, zu viel gearbeitet und sich zu wenig Zeit für Familie und Freunde genommen zu haben.

Die Australierin selbst arbeitet heute als Sängerin und Songschreiberin. Sie hat mit 45 Jahren noch ein Kind bekommen. In ihrer Freizeit sitzt sie oft auf ihrer Veranda und lauscht den Vögeln. Gegenüber dem Nachrichtenportal „welt.de“ gab sie an: "Ich weiß, dass ich das machen muss, was ich will - denn wenn ich das nicht tue, weiß ich, was ich auf meinem Sterbebett bereuen werde."


 

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