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Neue Chancen nutzen

24.09.2022

Wie wir Neues wagen und umsetzen können

 

Claudia, eine Sozialpädagogin (26 J.), schreibt mir: „Ich arbeite seit zwei Jahren in einer Krippe als Erzieherin. Die Arbeit mit Kindern macht mir großen Spaß. Doch eine untertarifliche Bezahlung, Mitarbeitermangel und sieben Eingewöhnungen von 1-jährigen Kindern in die Kita innerhalb weniger Wochen, führten bei mir zu großer Unzufriedenheit. Da ich von Natur aus ein Sicherheits-Mensch bin, der gerne in seiner Komfortzone bleibt, hatte ich Angst vor einer Veränderung. Es schien mir bedrohlich, etwas Neues zu wagen. Doch als ich erfuhr, dass in unserer Einrichtung ErzieherInnen bei gleicher Arbeit mehr verdienen als SozialpädagogInnen, fasste ich den Entschluss, etwas zu ändern.

 

Mehrere Monate durchforstete ich die Job-Portale. Schließlich entdeckte ich zwei interessante Angebote und bewarb mich auf diese Stellen. Ich war erfreut, weil ich von beiden Einrichtungen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Es kam noch besser: ich bekam von beiden eine Zusage! So konnte ich mir die Tätigkeit aussuchen, die am besten zu mir passte. Im Gespräch wurde ich freundlich und respektvoll behandelt. Man erzählte mir von Mitarbeiter freundlichen Strukturen, wie regelmäßige Supervisionen und Team-Sitzungen. Nachdem ich den neuen Arbeitsvertrag unterschrieben hatte, erlebte ich ein absolutes Hochgefühl. Ich freue mich auf die neue Herausforderung in meinem Leben und fühle mich bestätigt in meiner Einstellung, dass im Leben immer alles so kommt, wie es kommen soll, - wenn man den Mut aufbringt, neue Chancen zu wagen.“

 

Warum Vorsätze allein nichts nützen

Jede und jeder kennt den Wunsch, Gelegenheiten zu nutzen. Aber warum schiebt der Student Stefan Hausarbeiten auf die lange Bank? Der junge Mann sagt mir im Gespräch, er wolle unbedingt Ingenieur werden und viel Geld verdienen. Aber gleichzeitig tut er unbewusst vieles, um nicht lernen zu müssen: er geht einem aufreibenden Job in einer Spielothek nach, und anderntags versäumt er Vorlesungen, weil er den Handy-Wecker „nicht gehört“ haben will. Nach außen hin verweist er auf sein Berufsziel, aber eigentlich hat er Furcht vor einem möglichen Misserfolg.


Was hat die Sozialarbeiterin Claudia, die an ihrem Arbeitsplatz so unzufrieden war, besser gemacht als der ewige Student? Sie hat – wie Motivations-Psychologen sagen – den Rubikon überschritten und ist vom Wünschen ins Wollen und ins Tun gekommen.

Vom Wünschen zum Wollen

Es macht einen Unterschied, ob man einfach nur weg will oder ob man weiß, wo man hin will. Sicher kennen Sie Menschen, die ständig am Jammern sind: sie beschweren sich über den wenig einfühlsamen Partner, klagen über das schlechte Betriebsklima oder fühlen sich genervt von lästigen Stechmücken. Aber letztlich ändern sie nichts an der misslichen Situation. Ein solch vermeidender Bewältigungs-Stil raubt psychische Energie. Andere Leute haben dagegen Ziele vor Augen, die sie verfolgen und in die Tat umsetzen. Diese Macher probieren aus, sie scheinen vor Energie zu strotzen. Solche Menschen fallen gelegentlich auf die Nase, aber am Ende stehen sie wieder auf den Beinen. Wer mit der Vermeidungs-Brille durchs Leben schlurft, dem liegen Dinge im Magen. Wer mit der Annäherungs-Brille durchs Leben schreitet, der folgt Zielen, die ihm oder ihr am Herzen liegen.

Damit aus dem Wunsch ein Wille wird, muss man zwei Appelle an sich selber richten: „Halte Dein Ziel schriftlich fest!“ und „Stelle Dir das gewünschte Ergebnis vor!“ Wer sein Ziel schriftlich formuliert, erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, das Ziel zu erreichen. Für den zweiten Schritt schließt man - auf einem Stuhl sitzend - die Augen, um sich vorzustellen, wie das ideale Ergebnis aussehen könnte. Hernach sollte man einem Freund oder einer Freundin von seinem Vorhaben erzählen. Noch besser ist: sie geben dem Freund oder der Freundin ein regelmäßiges Update von ihren Fortschritten. Das motiviert, am Ball zu bleiben.


Vom Wollen zum Handeln

Wer auf gute Stimmung und gute Umstände hofft, wartet vergebens. Zwei weitere Schritte sind zu gehen: „Rechne mit Hindernissen und benenne sie!“ und „Handle nach Plan, nicht nach Laune!“


Statt es mit „positivem Denken“ zu versuchen, schaut man besser dem inneren Schweinehund ins Auge: „
Gerade die Hindernisse, von denen wir glauben, dass sie uns von der Wunscherfüllung abhalten, können uns am meisten helfen, unsere Wünsche zu verwirklichen – wir müssen nur anders als gewohnt mit ihnen umgehen“, sagt die Motivations-Psychologin Gabriele Oettingen.

 

Bei Hindernissenauf unserem Weg verhalten wir uns oft wie die bekannten Emojis-Affen: wir halten uns Augen und Ohren zu. Besser ist es, die Hände aus dem Gesicht zu nehmen. Dann kann man die Stolpersteine in den Blick zu nehmen. Ein Hindernis kann konkret sein, etwa viel Zeit am Handy vertrödeln. Manchmal geht es um Grundsätzliches, wie die Angst vor Neuem. Geben Sie den Hindernissen einen Namen. Im letzten Schritt überlegen Sie, wie Sie das Hindernis überwinden wollen. Einer Studie zufolge erhöht ein schriftlicher (!) Plan die Erfolgschancen um 42 Prozent. Ein guter Plan folgt einer „Wenn-dann-Struktur“: „Wenn ich mich nach einem langen Arbeitstag müde fühle, ziehe ich mich um und sofort laufe los.“ Der Clou: Wenn man eine schwierige Situation, in der man sich lustlos fühlt, mit einem positiven Verhalten verknüpft wird, entsteht mit der Zeit eine gute Gewohnheit, ein positives Ritual. Wenn unser Gehirn einmal etwas gelernt hat, braucht es für den gleichen Prozess weniger psychische Energie.

 

Günstige Gelegenheiten ergeben sich oft dann, wenn wir uns trauen, mit anderen in Kontakt zu treten und zu kommunizieren. Es sind „vor allem andere Menschen, die uns verändern“, betont der Sozialpsychologe Jens Förster. Ein Beispiel aus dem Leben: Studierende, die eine längere Auslandsreise machen, erleben mehr positive Persönlichkeitsänderungen als Gleichaltrige, die zuhause hinterm Ofen (heute: Handy) sitzen. Junge Eltern mit ihrem ersten Kind erleben hundert Prozent mehr Stress, aber auch hundert Prozent mehr Freude. Um Chancen nutzen zu können, sollten wir uns von anderen beeinflussen lassen. Dann können wir erfahren, was der Schriftsteller Jean Paul (1763 - 1825) einst formulierte: „Leben entzündet sich nur an Leben.“


 

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