Pizza © K. Glas

Nobody is perfect

05.09.2011


Fehler – jeder macht sie und wünscht sich doch, sie wären nicht geschehen. Ein konstruktiver Umgang mit Fehlern kann von Perfektionswahn befreien und Druck aus dem Leben nehmen.

 

Es hätte Fleischbällchen mit Pasta geben sollen, dazu Rucolasalat mit Roter Beete, Ziegenkäse und Pistazien. Sechs Erwachsene und sieben Kinder wollten bei uns zu Mittag essen. Die undefinierbare Masse in meinem Kochtopf kurz vor dem Servieren jedoch machte alle Menüpläne zunichte. Einige der bereits am Vortag geformten Bällchen waren zerfallen und hatten sich am Topfboden festgesetzt. Zu meinem Schrecken waren auch die übrigen Fleischbällchen ungenießbar. Sie schmeckten unleugbar nach Verbranntem. Verflixt! Ich hätte die Hitze eher verringern sollen. Doch zu spät! Der Fehler war nicht mehr zu beheben.

 

Fehlerfrei sein wollen

Ein Fehler ist das, was ich tue, wovon ich später wünsche, ich hätte es anders gemacht. Das gilt auch für Handlungen, die ich unterlassen habe und von denen ich im Nachhinein wünsche, ich hätte sie getan. „Fehler“ ist ein Etikett, das ich immer erst dann verwende, wenn ich die Konsequenzen meines Handelns erkannt habe und ich zu der Überzeugung gelangt bin, dass ich Vernünftigeres oder Sinnvolleres hätte tun können. Schiebe ich die längst fällige Korrektur der Deutschaufsätze meiner Schüler immer wieder auf die lange Bank, habe ich zwar zunächst mehr Zeit für die Familie. Doch irgendwann gelten keine Ausreden mehr, und ich muss in langen Nachtschichten die Arbeit zum Abschluss bringen. Der Philosoph und Management-Berater Reinhard K. Sprenger stellt in seinem Buch „Gut aufgestellt – Fußballstrategien für Manager“ fest: „Man kann nicht zu Fehlern auffordern. Der Spieler darf nicht bereit sein, einen Fehler zu machen. Sondern er muss fehlerfrei sein wollen. Dass das scheitern kann, liegt in der Natur der Sache.“ Ich muss alles tun, um einen Fehler zu vermeiden. Wenn doch ein Fehler passiert ist, geht es darum, die Ursachen zu beheben, nicht nur zu lamentieren und Schuldige zu suchen.

 

Fehler als Helfer

Aus den Buchstaben des Wortes „Fehler“ kann ich das Wort „Helfer“ bilden. Fehler können eine ähnliche Funktion er füllen wie eine Kontrollleuchte am Armaturenbrett. Sie blinkt auf, wenn ich los fahren will und die Handbremse noch nicht völlig gelöst ist. Häufen sich bei mir im Alltag kleinere Unachtsamkeiten, weiß ich, dass ich dringend eine Pause einlegen sollte. Eine unverhältnismäßig heftige Auseinandersetzung zwischen unseren beiden Kindern wegen einer x-beliebigen Kleinigkeit kann ein Signal dafür sein, endlich mit ihnen ins Freie zu gehen und nicht erst noch ein Telefonat einzuschieben. Fehler sind eine unverzichtbare Voraussetzung für jeden Lernprozess. Die Checkliste für unsere Zelturlaube ergänzen wir immer wie der um die Dinge, die wir in einem Jahr vergessen haben und beim nächsten Mal unbedingt mitnehmen wollen, seien es eine Zange zum müheloseren Herausziehen der Heringe aus dem Boden oder ein Sieb, um nach dem Kochen möglichst jede Nudel aufzufangen. Fehler sind unvermeidlich, wenn ich etwas Neues ausprobieren will, ein neues Rezept, ein neues Spiel oder eine neue Sportart; ebenso, wenn ich eine neue Aufgabe übernehme und ich mit unbekannten Verfahrensweisen konfrontiert werde. Fehler geben mir das nötige Feedback, was funktioniert und was nicht. Sie sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einem Ziel.

 

Fehler sind wertvoll

Die im Südwesten der USA lebenden Navajo-Indianer sind bekannt für ihre Webkunst. Die Navajo-Frauen arbeiten in ihren Teppich bewusst einen kleinen Fehler ein: eine vertauschte Farbreihenfolge, eine kleine andersfarbige Linie oder eine winzige Detailveränderung am Rand des Teppichs, die ein Nicht-Navajo übersieht. Damit werden die Geister der Indianer im Teppich nicht eingeschlossen. Ihnen bleibt gewissermaßen ein Fluchtweg. Der Webfehler bedeutet keine Qualitätsminderung, vielmehr ist es ein Unterscheidungsmerk mal, das die Echtheit eines Navajo-Teppichs bezeugt. Das Beispiel der Navajo-Indianer hilft mir, Fehler als etwas Natürliches und sogar Wertvolles im Leben zu betrachten. Ein konstruktiver Umgang mit Fehlern befreit mich vom (Alb-)Traum der Perfektion. Ich kann mir und anderen mit mehr Nach- und Umsicht begegnen.

 

Aus: unser weg, Schönstatt Familienmagazin 1/2010

www.unserweg.com


 

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