Sonnenuntergang, Dänemark © B.T. Koch

Die schwerste und kostbarste Lebensphase unserer Ehe

09.09.2009

Als der Arzt uns das Ergebnis der Untersuchungen mitteilte, waren wir wie gelähmt: Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Mein Mann, äußerlich ruhig, hatte es wohl schon geahnt, während ich noch voller Hoffnung war. Eine große Leere, ja Starre breitete sich in meinem Innern aus, die sich im Lauf der folgenden Tage in Empörung und Auflehnung gegen unser Schicksal und gegen Gott verwandelte.

 

Mechanisch verrichtete ich die gewohnten Tätigkeiten, doch der Verstand suchte ununterbrochen nach Lösungen, um das - nach menschlichem Ermessen - sichere Todesurteil abzuwenden. Nach einiger Zeit musste ich erkennen, dass Heilung nicht mehr möglich war und es nur darum gehen konnte, meinem Mann die ihm verbleibende Lebenszeit so angenehm wie möglich zu gestalten.

 

In der ersten Phase stritt und haderte ich trotzig mit Gott und konnte überhaupt nicht einsehen, warum er gerade von uns ein so hartes Opfer forderte. Dann flehte ich um Besserung für meinen Mann und begann zu feilschen um ein paar glückliche Jahre, die wir uns doch so sehnlich wünschten. Allmählich kehrte Ruhe in mein Herz ein, und ich konnte um Kraft bitten, das uns Auferlegte in der rechten Weise anzunehmen und zu tragen.

 

Von Anfang an befand sich mein Mann in guter ärztlicher Betreuung, und unsere Kinder, Freunde und die Schönstattfamilie standen uns mit Rat und Tat - und nicht zuletzt mit ihrem Gebet - hilfreich zur Seite. Dieses Gebet und Mittragen hat uns unendlich gut getan und geholfen, die immer stärker werdenden Beschwerden und Einschränkungen durchzustehen. Eine Schönstattmutter brachte uns ihr Pilgerheiligtum. Gemeinsam beteten wir in unserem Hausheiligtum, und das Pilgerheiligtum erinnerte uns immer wieder daran, dass andere für uns und mit uns beteten. Nun erwies es sich auch als unschätzbarer Segen, dass wir im Laufe unserer Ehejahre langsam gelernt hatten, alles offen miteinander zu besprechen. So konnten wir jetzt unsere Situation freimütig gemeinsam überdenken und durften dabei eine tiefe Übereinstimmung erfahren.

 

Die wenigen Monate, die meinem Mann noch geschenkt waren, wurden für uns zu einer Zeit des intensivsten seelischen Ineinanders, Miteinanders und Füreinanders. Wir konnten uns gegenseitig Stütze sein und erlebten trotz Krankheit, Schmerzen und vielerlei Belastungen den wahrscheinlich kostbarsten Abschnitt unserer Ehe. Ich durfte meinem Mann helfen, sich auf das Sterben vorzubereiten, und er überlegte mit mir, wie sich mein Leben ohne ihn gestalten könnte.

Inzwischen zeigt es sich, dass er zwar nicht mehr „physisch" bei mir ist, aber auf eine andere Weise doch ganz nah.

 

Meine anfänglichen Gebete wurden nicht erhört. Dennoch wurde mir im Lauf der Jahre eine Bereicherung und Lebenserfahrung zuteil, die ich nicht missen möchte. Die schwere Zeit war eine wertvolle Schule, die mich reifer gemacht hat. Sie hat mir den Sinn des Leidens mehr erschlossen: die Teilnahme am Leiden Christi, der uns sich ähnlich machen und durch uns fruchtbar werden möchte. - Manchmal denke ich an den Spruch: Wem Gott eine Tür zumacht, dem öffnet er ein Fenster.

 

N. N.
Aus: BEGEGNUNG - Zeitschrift aus Schönstatt für Frauen
www.zeitschrift-begegnung.de

 

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