Kreuz und Anliegen © S. Zeiger

Freundschaft mit Jesus

20.08.2009


„Lassen wir uns von Christus anschauen!" Dieser Satz in der Predigt unseres Pfarrers ging mir noch lange nach. Ich setzte mich einmal ruhig hin und versuchte mir vorzustellen, dass Christus mich anschaut. Bei dem Gedanken wurde ich etwas unruhig: Was würde er wohl zu dem sagen, was er dort sah?

 

Zu der unordentlichen Küche, die nicht aufgeräumt ist, weil ich zuerst ausgiebig mit meiner Freundin telefonierte? Und dazu, dass ich schon den ganzen Tag die Kinder herumkommandiere, weil mir das ein oder andere „auf den Wecker" geht? Oder zu dem Knopf, der noch immer nicht an der Jacke meines Mannes angenäht ist? Und zu meiner genervten und gereizten Stimmung? Und dazu, dass ich schon lange nicht mehr zu einem persönlichen Gebet gefunden habe? In einem Beichtgespräch erzählte ich dem Pfarrer davon, und er gab mir folgende Gedanken mit:

 

„Wenn Sie in eine Situation kommen, in der Sie mit sich selber nicht zufrieden sind, dann lassen Sie sich von Christus anschauen. Aber nicht mit einem verschämten Seitenblick, wie ein Kind, das ertappt wurde. So schaut Christus uns nicht an, er schaut tiefer. Er sieht nicht nur unser Versagen, er sieht auch, wie es zu dieser Situation kam, er sieht, dass ich heute vielleicht überfordert bin und Zeit für mich brauche. Wenn ich mich wirklich von Gott anschauen lasse, dann darf ich mich nicht schon festlegen: ‚Sicher denkt er jetzt so von mir!' Gott ist mehr als unsere Empfindung für gut und falsch. Gott schaut mit den Augen der Liebe. Laden Sie Christus in Ihren Alltag ein; lassen Sie sich von ihm über die Schulter gucken."

 

Dieser Gedanke gefiel mir. Ich brauche nicht ständig ein schlechtes Gewissen zu haben, weil ich wieder keine Zeit oder Kraft zu einem persönlichen Gebet gefunden habe. Christus schaut mir über die Schulter, Christus schaut mich an, in meinem Alltag, wenn ich meine Küche sauber mache, wenn ich mit den Kindern ungehalten bin ... Er ist da.

 

Seit ich diesen Gedanken mit nach Hause genommen habe, wurde mir einiges leichter. Ich spüre, wie sich meine Beziehung zu Gott vertieft. Seine Nähe, sein Blick hilft mir, auch mal einen Schritt zur Seite zu gehen, mich selber nicht so wichtig zu nehmen und die Dinge mit anderen Augen zu betrachten, mit mehr Ruhe und Gelassenheit.

Ich spüre, wie aus einer Beziehung, die vor allem von liebender Ehrfurcht geprägt war, langsam eine tiefe, enge Freundschaft wird, die mich stärkt. Im liebenden Blick Gottes verändert sich mein Leben.

 

T.W.
Aus: BEGEGNUNG - Zeitschrift aus Schönstatt für Frauen
www.zeitschrift-begegnung.de

 

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