Foto: K. Glas, Dom Regensburg

Gott wohnt nicht in der Kirche

03.06.2014


Für viele Eltern ist es eine Herausforderung, wenn ihre heranwachsenden Kinder nicht mehr mit in den Gottesdienst gehen möchten.

 

Schon als einer unserer Söhne fünf Jahre alt war, fragte er, als wir in die Kirche zur Messe gingen, warum wir denn eigentlich dahin gehen müssten? Auf unsere Erklärung, dass wir dort Jesus begegnen könnten, weil er dort wohnt, antwortete unser Sohn: „Dazu brauchen wir doch nicht in die Kirche gehen, der wohnt doch bei uns zuhause auch!“ Später wurde er Ministrant und ging regelmäßig sonntags in die Kirche zum „Dienen“. Als der Eifer um die meisten Striche (= wer hat die meisten Einsätze als Ministrant innerhalb eines Jahres) nachgelassen hatte, war die Regelmäßigkeit der Mitfeier der sonntäglichen Messe geringer und die Diskussionen darum größer.

 

Es ging uns nicht darum, die Kinder zu zwingen, mitzukommen. Zwang und Druck bewirken vielleicht momentan nach außen eine scheinbare heile Familie, bei der alle geschlossen sonntags in der Kirche zu sehen sind und als Vorzeigefamilie gelten, aber für später keine überzeugende Basis für eine eigene fundierte Entscheidung legen. Ein Satz eines Seelsorgers, der viel mit Familien gearbeitet hat, war uns eine große Hilfe: „Ein Jugendlicher mit 13 Jahren entscheidet selbst, ob er zur Messe mitgeht oder nicht.“ Wir wollten darauf vertrauen, dass in den 12 Jahren davor so viel an Prägung und Erfahrung im religiösen Leben grundgelegt wurde, dass die Früchte sich früher oder später zeigen würden.

 

Entscheidungsfreiheit

Es fiel uns nicht leicht, Fragen der Großeltern oder Bekannten auszuhalten, ob denn unsere Kinder am Wochenende nicht da wären, weil man sie nicht in der Kirche sähe. Wir mussten bekennen, dass sie noch nicht aufgestanden sind. Aber das war unser Problem und wir wollten es nicht als Vorwurf auf unsere Kinder abwälzen. Ihnen die Entscheidungsfreiheit zu gewähren, war uns wichtiger. Schon seit den frühen Kindheitstagen ist das gemeinsame Frühstück bei den Kindern verankert. So freuten wir uns, als wir Eltern nach der Messe einen gedeckten Tisch und die ganze Familie beim Frühstücken erlebten.

 

Ohne vorwurfsvolle Worte oder heimlichen Groll, sondern in familienhafter, entspannter Atmosphäre haben wir dann den Sonntag miteinander begonnen. Außerdem ist dieser Sohn ein begeisterter Segelflieger und im Verein vor Ort engagiert. Wenn am Sonntag schönes Wetter ist, beginnt der Flugtag natürlich morgens mit dem Bereitstellen der Flugzeuge, Herrichten der Seilwinde zum Aufziehen der Segelflugzeuge … Das kollidiert mit der Sonntagsmesse. Unsere Lösung war eine Zeit lang, dass wir versuchten, gemeinsam als Familie die Vorabendmesse mitzufeiern, danach das Wochenende mit Pizza und gemütlichem Abend zu beginnen.

 

Ehrlichkeit

Es gibt nicht d i e Lösung für Fragen der Sonntagsmesse. Wir haben immer mal wieder experimentiert, was in der momentanen Situation möglich ist. Die Kinder sollten erleben, dass uns als Eltern der Sonntag mit Messe wichtig ist und wir dafür auch bereit sind, Kompromisse zu schließen. Trotzdem nehmen wir ihnen die Entscheidung nicht ab, sich auseinanderzusetzen mit der Frage und einen eigenen Standpunkt zu finden. Wenn Fragen und Zweifel größer sind als die Überzeugung, dass Gott auf uns wartet, ist es ehrlicher, fernzubleiben als nur aus Gewohnheit oder den Eltern zum Gefallen mitzugehen.

 

X.

Aus: unser weg, Schönstatt Familienmagazin 3/2012

www.unserweg.com


 

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