Abendstimmung in Dänemark © B.T. Koch

Die Entdeckung der Gelassenheit

17.09.2009


Unübersehbar große Tafeln in regelmäßigen Abständen am Rand der Autobahn platziert. Darauf eine Botschaft, die Tausenden von Autofahrern in die Augen sticht. Die sie stutzig machen will. Die sie wenigstens eine Sekunde lang hinschauen lässt: „Die Entdeckung der Gelassenheit".

 

Seelische Stärke

Ja, wer hätte sie nicht gern, diese seelische Stärke, die hilft, die täglichen Herausforderungen locker(er) anzugehen? Dieses Freisein von äußerem und/oder innerem Druck? Diese Grundeinstellung, die jegliche Art von Stress - Terminstress, Konsumstress, Beziehungsstress - entspannter bewältigen lässt? Denn allzu oft erleben wir das Gegenteil, an anderen und an uns selbst: Nervosität, Überreiztheit, Verkrampfung. - Doch wie lässt sich Gelassenheit erreichen?

 

Loslassen

Ein erster Schritt ist das Loslassen, die bewusste Distanzierung von dem, was mich - mehr als nötig - gefangen nimmt. Ich nehme mir Zeit, um zu fragen:

 

- Was bringt mich momentan unter Druck?

- Woran hänge ich so, dass es mich eher beengt als befreit?

- Wo bin ich herausgefordert, etwas oder jemanden freizugeben?

- Von welchen „Lieblingsideen" oder falschen Erwartungen sollte ich mich
   endgültig verabschieden?

- Wo sollte ich öfter mal „Nein" sagen?

- Gibt es materielle Werte, die mich eher belasten als bereichern? Welche sind es?
   Von welchen kann ich mich trennen?

- Welche Tätigkeiten oder Umstände sind für mich „Gelassenheits-Killer"?

   Kann ich diese Tätigkeiten einschränken oder auf Dauer ganz abgeben?

   Lassen sich die entsprechenden Umstände positiv verändern - und wie gehe ich gezielt dabei vor?

 

Natürlich: Loslassen ist ein Prozess, der schwer sein kann. Je nachdem sogar sehr schwer. Doch es lohnt sich, einiges an Kraft dafür zu investieren. Denn jedes noch so kleine „Loslass-Erfolgserlebnis" macht innerlich freier und lässt gelöster leben.

 

Mich Gottes Sorge überlassen

Ein zweiter Schritt zur Gelassenheit ist das Sich-Überlassen. Von innen heraus loslassen, so loslassen, dass die Lebensfreudebatterie nicht entleert, sondern aufgeladen wird, kann ich nur aus der Erfahrung des Gehaltenseins. Aus der Erfahrung, dass da ein Größerer ist, der es gut mit mir meint. Aus dem Erlebnis des Rückhalts in Gott!

 

„Weil du in meinen Augen kostbar und wertvoll bist ..." (Jes 43,4) Dieser Gott, der uns das zusagt, ist ein Gott, der unser Bestes im Blick hat. Der einen Liebes- und Weisheitsplan für unser Leben geschrieben hat. Und der alle Details dieses Planes so fügt, dass das Optimale für uns herauskommt.

 

„Wir müssen uns überzeugt halten von den großen Wahrheiten, dass der große persönliche Gott, der uns umgibt, eine überaus starke, eine überaus gütige und eine überaus treue Macht darstellt. Was das Kind von den natürlichen Eltern voraussetzt, erkennen wir in Gott, unserem Vater." (P. J. Kentenich)

 

Wer diese Botschaft an- und mit in den Alltag hineinnimmt, kann vieles gelassener nehmen. Er weiß ja: Egal, was passiert, der große persönliche Gott ist bei mir! Ihm, dem überaus starken, gütigen und treuen Vater kann ich vertrauen, kann ich mich kindlich-sorglos überlassen.

 

Was „übrig" bleibt, verschenken

Ein dritter Schritt zu mehr Gelassenheit: Was „übrig" bleibt, verschenken! Auch wenn ich mich besten Willens im Loslassen und Mich-Gott-Überlassen übe, manches bleibt einfach „übrig", manches bleibt einfach schwer. Und das müssen nicht immer nur „große" Dinge sein.

 

„Mein Mann hat ‚Nein' gesagt", erzählt zum Beispiel eine Frau. „Da war etwas, das ich unbedingt wollte; eine Kleinigkeit nur, aber für mich in dem Moment wichtig. Er hat nur gemeint: ‚Du, jetzt nicht.' Eigentlich sagt er so etwas sonst nie. Da habe ich zu überlegen begonnen: Wenn ich ehrlich bin, hat er recht. Ich brauche diese Sache jetzt wirklich nicht. Ich könnte eigentlich darauf verzichten. Aber es hat mich trotzdem geärgert. Obwohl ich vom ‚Verstand' her keinen Grund dafür hatte, blieb es dabei. Und angestrengt überlegte ich: Wie komme ich aus meinem Groll wieder heraus, damit nicht der ganze Abend dahin ist?

Da habe ich gespürt, wie mich die Gottesmutter vom Hausheiligtum herüber anschaut: ‚Schenk mir das doch!' Doch so einfach ging das nicht. Ich begann zu verhandeln: ‚Im Prinzip würde ich schon wollen, aber ich ärgere mich ja trotzdem!'. Am meisten ärgerte ich mich über mich selber, dass mich so ein kleiner Verzicht überhaupt beschäftigte. Ihre Einladung blieb: ‚Schenk mir das doch!' So haben wir freundschaftlich hin und her verhandelt, vielleicht eine Viertelstunde. Aber dann war ich den Ärger los. Und es ist noch ein guter Abend geworden" (aus: "Familie als Berufung").

 

Eine gute Anlaufstelle

Als Frauen, die aus dem Tauf- und Liebesbündnis leben, haben wir - Gott sei Dank - eine gute Anlaufstelle für solche und ähnliche Fälle: die Gottesmutter, die volles Verständnis für sämtliche Zwischentöne eines „nicht-gelassenen" Frauenherzens hat. Ihr können wir alles, was „übrig" bleibt, schenken: alles, was schwer fällt, alles, was Mühe kostet, alles was an ge- oder misslungenen Ansätzen zusammenkommt.

Und das entlastet nicht nur uns selbst, das kommt auch anderen zugute. Denn durch das Gnadenkapital - symbolisiert im großen Krug, der in vielen Schönstattheiligtümern steht - wird alles, was ich der Gottesmutter schenke, kostbar. Sie schenkt es weiter an ihren göttlichen Sohn und bittet ihn, all diese Gaben in Segen zu wandeln, in Segen für uns und für alle, die diesen Segen jetzt ganz besonders brauchen.

 

Mein erster Schritt?

Loslassen. Mich Gottes Sorge überlassen. Was „übrig" bleibt, verschenken! - Welcher dieser Schritte ist bei mir grade dran? Je entschlossener ich ihn gehe, desto sicherer wird sie am Ende stehen: die Entdeckung der Gelassenheit!

 

Sr. M. Caja Bernhard
 Aus: BEGEGNUNG - Zeitschrift aus Schönstatt für Frauen
www.zeitschrift-begegnung.de

 

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