... frischen Wind genießen © H. Brehm

Leben im Jetzt

04.02.2010

 

 

Keine Zeit zu haben, prägt zu einem Gutteil unser Lebensgefühl. Um dennoch nicht gestresst zu sein, kann ein „Leben im Jetzt" als Schlüssel dienen, um vielerlei nacheinander abzuarbeiten und doch ganz bei der jeweiligen Tätigkeit zu sein.

 

Ich beobachte bei mir, dass ich häufig mit meinen Gedanken in der Zukunft bin oder aber auch schönen Erinnerungen nachhänge. Dagegen ist grundsätzlich auch nichts einzuwenden, empfiehlt uns doch Pater Kentenich auch das Vorkosten und Nachkosten unserer Erlebnisse als die bevorzugte schönstättische Betrachtungsmethode. Nur meditieren, das tut jeder für sich allein. Aber wenn wir mit Anderen zusammen sind oder irgendwelche Aufgaben zu erledigen haben, dann tun wir uns selber einen guten Dienst, ganz im Jetzt zu leben.

 

Ganz mit dem Herzen dabei sein

Ich staune immer wieder, wie Kinder sich in ihr Spiel vertiefen können. Manchmal gelingt es mir, wirklich ganz mit dem Herzen dabei zu sein - vor allem bei persönlichen Beratungsgesprächen. Es wird schon schwieriger bei Telefonaten, wenn Menschen eine lange Anlaufzeit brauchen und über Nebensächlichkeiten reden. Und dann gibt es so manche Arbeiten, deren Notwendigkeit ich einsehe, die ich aber trotzdem nicht gerne tue. Da bin ich mit meinen Gedanken oft schon in der Zukunft (und nicht bei der Sache). Das macht es oft noch schwerer und die Unlust noch größer.

 

Nur diesen Punkt gewinnen

Der Tennisspieler Pete Sampras wurde einmal nach seinem Erfolgsrezept befragt. Er antwortete: „Ich versuche nie, ein Turnier zu gewinnen. Ich versuche auch nie, einen Satz oder ein Spiel zu gewinnen. Ich will nur diesen Punkt gewinnen." Was im Tennis als Erfolgsrezept funktioniert, gilt sicher auch für die ganz alltägliche Lebenskunst. Im Jetzt leben. Damit möchte ich nicht die Zielstrebigkeit in Frage stellen, doch fällt mir auf, dass Menschen, die ich wegen ihrer Zielstrebigkeit früher bewundert habe, immer wieder in die Falle tappen, und mehr im Morgen als im Heute leben. Sie opfern dem Morgen das Heute. Und wenn ein Ziel erreicht ist, stellt sich nach einer kurzen Zeit des Erfülltseins eine eigenartige Leere ein. Also gleich wieder auf zu neuen Zielen.

 

Aufs Jenseits vertröstet?

Ich bin in einem System groß geworden, das diese Form der „Motivation" auf die Spitze trieb (Sozialismus der ehemaligen DDR). Generationen wurden verheizt mit dem Versprechen auf ein besseres Morgen. Das Paradies sollte schon auf Erden möglich sein. Gleichzeitig wurde dem Christentum vorgeworfen, es würde die Menschen auf ein besseres Jenseits vertrösten. In der Begleitung von schwerkranken Sterbenden wurde mir bewusst, welchen Trost ein besseres Jenseits geben kann, in dem Trauer und Tränen endgültig vorbei sind, und wie schwach der Tröstungsversuch in dieser Situation gewesen wäre, spätere Generationen hätten es sicher einmal besser. Und wenn es gerade nicht ums Sterben ging, dann waren Christen, die aus ihrer Jenseitshoffnung die Gegenwart menschlicher gestalteten, gefragte Partner. Zum Beispiel besuchten auch Genossen gerne christliche Krankenhäuser. „Hier werde ich wenigstens als Mensch behandelt und nicht als schnell zu reparierende Maschine", meinte einmal ein Patient, mit dem ich einmal gemeinsam im Zimmer eines katholischen Krankenhauses lag.

 

Jetzt - Ort der Gottesbegegnung

Wenn wir uns mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all unseren Gedanken im Jetzt verlieren, können wir darin Erfüllung finden. Dann wird das Jetzt zum Ort der Gottesbegegnung, denn Gott ist weder gestern noch morgen, sondern ewig.

 

Aus: unser weg, Schönstatt Familienmagazin, 4/2007
www.unserweg.com

 

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