Zeit für mich - Am Lac d' Annecy, Frankreich © K. Glas

Zeit für Gott und Zeit für mich

24.09.2009

"Die Welt braucht Gott", glauben wir mit unserem Heiligen Vater - und erleben zunehmend, dass es keinen Bereich in unserer Welt gibt, in dem ein Leben ohne Gott wirklich gelingen kann. Das gilt auch für die Zeiten und Verhältnisse, in denen wie eigentlich gar keine Zeit haben. Gerade dann brauchen wir kleine Stoppzeiten, die Leib und Seele aufatmen, Luft holen, auftanken lassen. Papst Benedikt sagte einmal: "Wer betet, vertut nicht seine Zeit, selbst wenn die Situation alle Anzeichen der Dringlichkeit besitzt und zum Handeln zu treiben scheint."

Einige Frauen erzählen von ihren Erfahrungen: wie sie erleben, dass es sich lohnt, auch in Hochdruckzeiten Pausen für Gott und für sich selbst zu finden. Denn dies sind gewinnbringende Zeiten. Zeiten, die später zum Segen werden.

 

Jede Frau braucht eine Insel

"Reif für die Insel", so lautet der Werbeslogan eines Reisebüros. Ich bin der Meinung, es muss ja nicht gleich Korsika sein. Es ist 6.30 Uhr, die größeren Kinder sind bereits aus dem Haus. Ich gehe in den Garten, spüre das nasse Gras unter den Füssen, rieche die Frische, bin einfach nur still. Ich höre die Vögel zwitschern, betrachte meine geliebten Rosen, bestaune den Tau. Wie genieße ich diese Minuten der Stille am Beginn des Tages; ich weiß, ich werde heute kaum noch zum Aufatmen kommen.

 

Jede Frau braucht eine Insel, auf der sie sich wohl fühlt, ganz egal, wo das ist. Mein Garten gibt mir Ruhe und Kraft. Im Geiste gehe ich durch meine "heiligen Hallen", gehe zu den Menschen, die ich liebe, besuche sie in Gedanken, bereite mich auf die Aufgaben des vor mir liegenden Tages vor. Ich bitte die Gottesmutter, mit mir zu gehen. Sie lässt mich nie allein. Das sind ganz wunderbare Erfahrungen. Man muss es nur ausprobieren. Dann wecke ich die Kleine für den Kindergarten. Mein Tag beginnt.

 

Tagsüber jagt ein Termin den anderen. Ich habe mir angewöhnt, die Wartezeiten gut zu nutzen. Unsere Tochter reitet seit kurzem. Manchmal beobachte ich, wie konzentriert und aufrecht sie auf dem Pferd sitzt. Meine Gedanken gehen zurück in die Zeit des Anfangs mit diesem Kind. Ich will ganz bei ihr sein mit meinen Gedanken - es ist fast wie eine Meditation. Ein andermal lese ich im Reiterstüble und nütze so die Zeit, die ich abwarten muss. Auch das Autofahren kann eine gute Auszeit sein. Manchmal wähle ich bewusst eine Strecke über Land, auch wenn sie weiter ist, und freue mich an der herrlichen Landschaft. Mitten am Tag ein wunderbares Ruhe-Erlebnis. S. B.

 

In IHM meine Mitte finden

"Wisst ihr, was ich mir zu meinem 50. Geburtstag wünsche?" Das muntere Geklapper am Frühstückstisch erstirbt augenblicklich und mein Mann und meine Söhne starren mich überrascht an. Immerhin sind es ja noch mehrere Jahre bis zu diesem Termin und insofern kommt der Gedanke für sie wohl etwas unerwartet. Ungläubige Augen als ich dann fortfahre: "40 Tage allein in der Wüste".

 

40 Tag alleine in der Wüste. Nicht Abenteuerurlaub - mit dem Jeep von Paris nach Dakar oder Ähnliches - nein einfach eine lange Zeit irgendwo ganz alleine, weg von allen Terminen, allen Freunden, den Annehmlichkeiten und Ablenkungen unserer modernen Welt. Nur ich mit mir und ich mit Gott. Eine Zeit intensiver Selbstfindung und Gotterfahrung, wo alles andere ausgeklammert wird, der Blickwinkel auf die Welt sich neu justiert, wo Prioritäten neu gesetzt werden. Wo mein von den Anforderungen des Alltags oft so zersplittertes Leben wieder zu seiner ursprünglichen Einfachheit zurückfindet und wo ich mich in dieser Einfachheit ganz anders und ausschließlich für das Zwiegespräch mit Gott öffnen kann.

 

Ich bin ja nun keineswegs die Erste mit einem solchen Wunsch. Der Gedanke setzte sich in mir fest, als unser Pastor im Gottesdienst das Evangelium von Jesus in der Wüste verkündete. Dabei fiel mir auch das wunderbare Buch von den "Muscheln in meiner Hand" ein, wo Anne Morrow Lindbergh von ihren Auszeiten am Meer erzählt und wie sie während dieser Abgeschiedenheit ihr Leben überdenkt. Ich dachte an all die Menschen, die zu Einsiedlern wurden, und plötzlich verstand ich, welche Chance das bedeuten kann: in der Abgeschiedenheit in die Tiefe meiner selbst einzutauchen.

 

Es braucht dazu auch gar nicht die Wüste als solche, es kann schlichtweg ein abgelegenes Häuschen an der Ostsee oder in den Bergen sein. Wüste, das bedeutet nur: alleine - einfach - auf das Notwendigste beschränkt. Weg vom Trubel der Welt.

 

An dieser Stelle atmete meine Familie sichtlich auf: Gott sei Dank, nicht die Wüste Gobi, die Sahara oder das Death Valley. Die Mutter scheint wenigstens mit dem eigenen Land zufrieden zu sein. Und auf drei oder vier Wochen statt 40 Tage kann man sich wohl auch einigen ...

 

Eine Auszeit. Die Stille suchen und aushalten. Den Rhythmus meines Lebens ändern. Langsamer leben. Die Schürze der geschäftigen Martha an den Nagel hängen und als Maria lauschen, was Gott mir zu sagen hat. Im Alltag gelingt uns das nicht immer, zu viel stürzt von allen Seiten auf uns ein. Kleine Oasen sind für mich dann meine "Zehn Minuten Stille", wo ich versuche, dem Getümmel der Pflichten zu entfliehen. Das "Ora et labora" - bete und arbeite - der Benediktiner hat schon etwas für sich. Wir alle brauchen Zeiten, in denen wir arbeitend in der Welt stehen, und solche, die allein für Gott vorbehalten sind.

 

Noch ist der 50. Geburtstag nicht erreicht, aber mit jedem Jahr rückt der Termin etwas näher und meine Vorfreude wächst. Wohin es mich verschlagen wird? Ich weiß es nicht, und eigentlich kommt es gar nicht darauf an. Hauptsache, der liebe Gott ist auch schon da. A. E.

 

ER ist mittendrin

"Aus Erfahrungen wird man klug", sagt der Volksmund. Ist das so? Sicherlich ist etwas Wahres dran. Nur: Jede Erfahrung, jede Situation ist anders. Manche Erfahrungen vergehen wie ein Windhauch. Schöne Eindrücke werden gesammelt, verkostet und auch manchmal durch Bilder festgehalten. Situationen, die schmerzen und verletzend sind, laufen für einige Zeit mit. Immer wieder stoßen sie auf und lassen sich nur schwer verarbeiten. Überfordert zu sein, nur noch zu funktionieren, wo bleibt man mit dieser Erfahrung? Oasenmomente, wo sucht man die? Bei Freunden und Bekannten?

 

In der Pflege meiner kranken Schwiegermutter habe ich zwischendurch das Gefühl, alles ganz allein meistern zu müssen. Bestimmte Arbeiten und Situationen nicht mehr schaffen zu können, das lässt einen die persönlichen Grenzen erfahren - und spätestens dann braucht man Hilfe. Ich habe das Glück, in besonderen Momenten alles dem lieben Gott hinhalten zu können. Die Offenheit IHM gegenüber gibt mir neue Kraft. Immer wieder nehme ich mir eine kleine Auszeit, indem ich mich einfach zu IHM setze, IHN anschaue, SEINEN Blick auf mir spüre.

 

Gott in ihr - in meiner Schwiegermutter. Manchmal können wir zusammen singen, oder sie erzählt mir mit Vorliebe kleine Gedichte. In diesen Momenten ist Gott gegenwärtig. Ohne sprechen, ohne etwas tun zu müssen, schenkt ER mir Kraft, durchzuhalten. In der Zufriedenheit des alten Menschen vor mir kann ich Gottes Nähe spüren - und bin ihm ganz nah. A. P.

 

Zeit für Gott ist Zeit für dich und mich

Ich war viele Jahre in einem sozialen Beruf tätig, der jeden Tag viel Einsatz forderte und oftmals wichtige Entscheidungen verlangte. Der Beruf war eine echte Herausforderung für mich. In dieser Phase waren mir die "Zehn Minuten Stille" täglich eine große Hilfe. In dieser stillen Zeit habe ich viele Dinge Gott und der Gottesmutter anvertraut. Manchmal habe ich auch einfach "Tacheles" mit ihnen geredet und gesagt: "Ich kann diese vielen Probleme der Menschen nicht mehr ertragen, ich vertraue sie euch an! Ihr seid jetzt dran!"

 

Und ich muss sagen, ich habe dabei immer Hilfe erfahren. Ich wurde ruhiger, gelassener, sachlicher. Mir fielen auch mehr Argumente zur Erörterung ein. Diese Ruhe übertrug sich dann auch auf die hilfesuchenden Menschen, und überwiegend konnten gute Lösungsmöglichkeiten für die Probleme gefunden werden. Diese "Zeiten mit Gott" habe ich mir trotz Hektik, Druck und Anspannung gegönnt, denn ich erlebte sie als große Hilfe - für mich und für die anderen.

 

Diese wertvolle Erfahrung "Zeit für Gott ist Zeit für dich und mich" habe ich seit meinem Ausstieg aus dem Beruf noch intensiviert. Wenn möglich, besuche ich werktags die heilige Messe und erlebe hier eine noch größere Nähe zu Gott, die mir echt gut tut, mir viele Impulse für mein Leben gibt und Mut zum Handeln macht. Ein Beispiel: Manche Gottesdienstbesucher kannte ich anfangs nicht. Nach und nach habe ich die mir Unbekannten angesprochen, um aus der Anonymität herauszukommen, denn im Geschehen der Eucharistiefeier sind wir doch alle Schwestern und Brüder. Dabei erlebe ich offenes Entgegenkommen und Freude darüber, dass jemand den Mut hat, andere anzusprechen. Öfter kommt es nach der heiligen Messe zu einem kurzen Austausch mit mehreren Personen. Inzwischen hat es sogar bereits interessante Gespräche bei einer Tasse Kaffee in der Stadt gegeben, und erst vor kurzem bin ich gerne einer Einladung zum Frühstück nachgekommen. "Zeit für Gott ist Zeit für dich und mich." Ja, so ist es!

M. S.

Aus: BEGEGNUNG - Zeitschrift aus Schönstatt für Frauen, 4/2007
www.zeitschrift-begegnung.de

 

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