Lac d' Annecy, Frankreich © K. Glas

Das eine Leben ist viel zu kurz...

02.09.2009

 

Die Frage der Verbindung von Berufstätigkeit und Familie stellt sich mir seit vielen Jahren sehr intensiv. Bereits im Studium war für mich klar, sollte ich einmal Kinder haben, muss dies mit beruflichem Engagement zu vereinbaren sein. Ich hatte und habe immer noch das Gefühl: Ich bin beschenkt mit Begabungen und Möglichkeiten, also möchte ich diese auch einsetzen. Mein Studium der Sonderpädagogik habe ich sehr bewusst gewählt. Dazu musste ich noch das Abitur nachholen, nachdem ich bereits eine andere Ausbildung hatte.

 

Inzwischen haben wir drei Kinder und es haben sich noch viele neue Aspekte entwickelt. Dass mich diese Frage nach wie vor und eigentlich neu und mehr beschäftigt, zeigt auch die große Bedeutung im Leben von Frauen, die Familie haben und Freude am beruflichen Engagement.

 

Ich habe den Eindruck, dass diese Frage leider immer noch viel zu emotional diskutiert wird. Ich merke aber auch, wie emotional das Thema für mich selbst ist und bleibt. Mir begegneten entweder Frauen (und Männer!) mit der Aussage: "Was, du bist mit drei Kindern noch berufstätig ...? oder mit der in Abwandlungen gestellten Frage: "Was machst du eigentlich den ganzen Tag...?" Das macht mich zunehmend sauer. Ich hänge selbst „dazwischen" und das macht die Sache nicht leichter.

 

Ich lasse in diesen Überlegungen bewusst die Rolle meines Mannes beiseite. Er war und ist für alle "Konstellationen" offen, er würde in Elternzeit gehen, Teilzeitarbeit zustimmen, und er ist auch der Meinung, dass Kinder in einem Ganztagskindergarten und in einer Krippe gut betreut sein können ...

 

Seit einem halben Jahr versuche ich nun wieder, meinen Beruf als Sonderschullehrerin und meine Rolle als Mutter von drei Kinder im Alter von 4, 6 und 7 Jahren gut zu vereinbaren. Doch es sind ja nicht diese beiden Lebensbereiche allein. Daneben bin ich in unserer Pfarrgemeinde engagiert, im Kindergarten und in der Schule. Ich versuche unsere freundschaftlichen und familiären Bindungen lebendig zu halten und nicht zuletzt mit meinem Mann eine gute Ehe zu führen. All das möchte ich gerne leben (und dazu noch viele andere Ideen verwirklichen ...), so dass ich tief in die Problematik der Fragestellung hinein geführt bin.

 

Nach anfänglichen Schwierigkeiten, genieße ich meine Berufstätigkeit inzwischen sehr. Ich habe Ideen der Gestaltung des Schullebens und genieße die Anerkennung und Herausforderung. Gleichzeitig merke ich aber auch, dass ich, zeitliche und emotionale Grenzen habe, die mich hindern, tiefer einzusteigen. Trotz der guten Erfahrungen im Beruf, trage ich mich momentan mit dem Gedanken, mich noch einmal für einige Jahre beurlauben zu lassen. Ich spüre, dass ich für meine Familie nicht die Kraft habe, die ich gerne hätte. Es ist, als würden viele Flammen brennen, aber keine mit großer Kraft. Mein ehrenamtliches Engagement zu lassen wäre ein Alternative, die ich mir im Moment aber auch nicht vorstellen kann.

 

Zentral für mich sind auch die Erfahrungen über mich selbst, die ich in den vergangenen Jahren gemacht habe, seit unsere Kinder geboren sind. Ich habe etwas von einer Glucke, ich möchte um meine Kinder herum sein und ich möchte unsere Zuhause und unser Zusammenleben schön gestalten, Zeit haben für schöne Feste, für Besuche und die Pflege von Freundschaften. Ich möchte Zeit und Muse haben, schön und gut zu kochen und die Wohnung jahreszeitlich zu dekorieren ... So hätte ich das vor 7 Jahren noch nicht sagen können.

 

Meine gute Freundin Nicola trägt sich momentan mit dem Gedanken, als Juristin und Mutter von zweijährigen Zwillingen, eine verantwortungsvolle Vollzeitstelle in gehobener Position anzunehmen. Sie kämpft auch mit sich, hat aber beruflich wesentlich mehr Ehrgeiz als ich. Ich kann sie verstehen und würde sie niemals als schlechte Mutter, "Rabenmutter", bezeichnen. Manchmal spüre ich Neid in mir.

 

Das stößt mich auch immer wieder auf die Frage der Wertigkeit verschiedener Arbeiten, wie sie in unserer Gesellschaft vorgenommen wird. Politisch wird alles getan, Familie und Beruf vereinbaren zu können. Und das finde ich unbedingt gut und notwendig. Es darf aber nicht dazu führen, dass Familien und Frauen, die sich für ein anderes Lebensmodell entscheiden abgewertet werden. In manchen kirchlichen Kreisen stoße ich auf genau entgegen gesetzte Bewegungen. Auch das ist für uns Frauen, die wir gut ausgebildet sind und Kinder haben, nicht hilfreich. Mal abgesehen davon, dass in unserer Gesellschaft für viele gar nicht die Möglichkeit der Entscheidung gegeben ist. Die wirtschaftliche oder die familiäre Situation machen es für viele Frauen notwendig, Beruf und Familie in jedem Fall miteinander verbinden zu müssen.

 

Ich kann entscheiden und in meinem und unserem Leben Schwerpunkte setzen. Und für mich führt das dann zur Frage und Aufgabe, wie ich meine Begabungen und Fähigkeiten, meine von Gott gegebenen Anlagen und meine Persönlichkeit so einsetzen kann, dass ich mich weiter entwickle zu dem von Gott in mich hinein gelegten Bild. Wie kann ich meine Talente einsetzen, mein Umfeld liebevoller und menschenfreundlicher gestalten, um auch und nicht nur durch unsere eigenen Kinder in die Zukunft hinein zu wirken.

 

Für uns Frauen ist das eine Aufgabe unserer Zeit, uns in diesem Spannungsfeld zu bewegen und es auszuhalten. Ich selbst bin nicht so gut im Aushalten von Spannungen. In diesem Fall jedoch finde ich langsam Freude daran, denn es zeigt mir doch die großen Möglichkeiten, die viele von uns heute haben. Wir brauchen auch keine Entscheidungen für den Rest unseres Lebens treffen, sondern können - und müssen allerdings auch - immer wieder neu überlegen und entscheiden. Das empfinde ich in meiner Situation als großes Privileg. Meine Gebundenheit an Gott macht mich auch auf diesem Weg frei. Und dafür bin ich sehr dankbar.


Regina Hagmann
Aus: UNSER WEG, Schönstatt Familienmagazin, 1/2006
www.unserweg.com

 

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