Bei dir sein - Lagunen-Strand in Italien, © H. Brehm

Lass uns wieder gut sein

03.11.2009

Kennen Sie diese Erfahrung? Niemand kann uns so glücklich machen wie der Mensch, der uns am nächsten steht. Aber niemand kann uns auch so sehr aufregen und verletzen wie er. Streit über Kleinigkeiten und Konflikte über Grundsätzliches - wie können wir in unserer Ehe damit umgehen, damit am Ende wieder Versöhnung gefeiert wird?

 

Streit vor den Kindern?

Ich höre den Schlüssel im Schloss, mein Mann kommt am Abend von der Arbeit nach Hause. Im Flur stolpert er als erstes über mehrere Schuhe, die die Kinder und ich dort stehen gelassen haben, anstatt sie gleich aufzuräumen. „Was ist denn das für ein Saustall? Es sieht hier ja aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte!" Mein Mann ist sauer - und ich auch. „Was ist denn das für eine Begrüßung? Wie kannst Du Dich denn über ein paar blöde Schuhe so dermaßen aufregen?", gebe ich ärgerlich zurück. Ein Wort folgt auf das andere, und schon sind wir mitten in einem Streit. Die Kinder stehen mit großen Augen daneben.

Ein paar Minuten später: Mein Mann kommt gewaschen und frisch umgezogen die Treppe herunter. Er räumt die umherliegenden Schuhe wortlos auf ihren Platz und raunt mir zu: „Entschuldigung wegen vorhin." „Ist schon wieder gut!", antworte ich. Ein Lächeln, eine Umarmung, und die Welt ist wieder in Ordnung, auch für unsere Kinder. Es wird ein gemütliches Abendessen.

Weil wir beiden ziemliche Hitzköpfe sind, kommt es bei uns immer wieder vor, dass wir uns im Beisein unserer Kinder streiten. Das ist nicht schön - aber wichtig ist uns, dass sie bei uns nicht nur den Streit, sondern auch die Versöhnung miterleben. Wenn wir vor den Kindern gestritten haben, versöhnen wir uns auch vor den Kindern wieder. Wir wollen ihnen vermitteln: Streiten ist etwas ganz Normales. Es kommt darauf an , dass man sich hinterher wieder verträgt. Wie das geht, kann man in der Familie lernen.

X.

 

Ich verstehe dich nicht - aber ich liebe dich

Wir haben eine schwere Zeit hinter uns. Wir sind einfach nur ausgepowert. Da ich selbständig arbeite und die Aufträge unregelmäßig kommen, kenne ich das schon, dass ich „Saisonarbeiter" bin. Die letzten Monate waren heftig. Dazu kamen noch die Zwischenprüfungen von meinem Theologiestudium, das ich seit zwei Jahren nebenher mache. Zu allem Überfluss kamen dann auch noch gesundheitliche Probleme dazu. Ich ging zum Arzt, um mich durchchecken zu lassen.

 

Als ich Beate, meiner Frau, später davon erzählte, war sie tief verletzt, dass ich zuerst zum Arzt ging, bevor ich ihr irgendetwas davon erzählt habe. Das wurde zu einem echten Konflikt zwischen uns. Wir sprachen darüber, um es zu klären, denn wir wollten uns wieder versöhnen. Aber wir konnten uns nicht wirklich verstehen. Jeder hatte das Gefühl im Recht zu sein. So ging das drei Tage lang. Am Ende sagten wir uns, da kommen wir offenbar nicht weiter - also kann uns nur helfen: 'Ich verstehe dich nicht, aber ich liebe dich.' Und so versuchten wir es neu miteinander.

 

Etwa ein bis zwei Monate nach diesem heftigen Konflikt, der auch noch seine Nachwirkungen hatte und ich wirklich keine Ahnung hatte, warum wir das durchstehen mussten, kam ein Freund von mir zu Besuch. Irgendwie kamen wir tiefer ins Gespräch und ich konnte ihm manche gute Anregung für die Ehe weitergeben. Er steckte gerade in massiven Schwierigkeiten. Ich erzählte ihm von unserer Erfahrung, die wir nur so lösen konnten: 'Ich verstehe dich nicht, aber ich liebe dich.' Ich lud meinen Freund ein, bei uns im Keller Ping Pong zu spielen. Das Gespräch und unser Spiel lockerte ihn zusehends auf. Als er sich dann nach dem Abendessen verabschiedete, ging er ermutigt und beschwingt aus unserem Haus. Da wusste ich, warum wir die Krise vorher durchstehen mussten.

X.

 

Nicht aussteigen aus der Last der Absprachen

In unserer Familie benutzen wir zu mehreren e i n  Auto. Das bringt manche Absprache-reibereien mit sich. Ich bin ein freiheitsliebender Typ und fühle mich dabei oft eingeengt und abhängig. Vor etwa einem Jahr hat es bei uns wegen dem Auto einmal heftig gekracht. Ich  musste mir den Vorwurf gefallen lassen, nicht rechtzeitig getankt zu haben, wie ich gebeten worden war. Als ich mich entschuldigte, ging es erst richtig los. Ich konnte das gar nicht einordnen und war tief verletzt. Solche Dinge nehme ich immer mit in die Nacht - sie kosten mich einiges an Schlaf.

Bei allem guten Willen auf beiden Seiten blieb zwischen uns eine Entfremdung - ich jedenfalls habe es so empfunden. Ich spielte mit dem Gedanken, mir ein eigenes Auto anzuschaffen und zog auch schon Erkundigungen ein. Meine Überlegungen stießen allerdings zu Hause auf Widerstand.

Kleine Auseinandersetzungen, die das alltägliche Leben mit sich bringen, haben die Wunde bei mir immer vertieft. Vermutlich kam da der melancholische Zug meines Temperamentes voll durch. In meinem Herzen dachte ich, es wird nie mehr so wie vorher zwischen uns.

Und dann war vor kurzem eine Situation, die doch noch mal Bewegung in unser Verhältnis gebracht hat.

Ich habe Kontakt mit einem Ehepaar, deren Ehe absolut auf der Kippe steht. Der Mann ist drauf und dran, seine Frau und die Kinder mit seiner Geliebten zu verlassen. Ich bekam so viele Tränen mit um das zerstörte Lebensglück. „Wenn er geht, verliere ich alles. Dann muss ich mich 'bis auf die Unterhose ausziehen' vor den Leuten in meiner Umgebung."

Ich fühlte mich so ohnmächtig, die beiden wirksam zu unterstützen. Was kann ich nur für sie tun? Diese Frage trieb mich um. Auf einmal schoss mir durch den Kopf: „Ich will nicht aussteigen aus der Last der Absprachen mit dem Auto. Ich will versuchen, noch einmal mit ganzem Herzen auf die anderen zu zugehen und da noch einmal etwas klären. Ich möchte das dem lieben Gott und der Gottesmutter schenken für diese Ehe."

Es hat mich viel gekostet. Ob die Ehe gerettet wird, ist weiterhin sehr fraglich. Aber mein Herz ist durch diesen  Sprung über sich selbst frei geworden.

X.

Aus: UNSER WEG, Schönstatt Familienmagazin, 2/2007

www.unserweg.com


 

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