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Alles Google oder was?

07.11.2011


Bildschirmmedien sind mit ihren Möglichkeiten ein Segen unserer Zeit. Dass sie hin und wieder zum Fluch werden können, weiß auch jeder. Familien sind besonders herausgefordert für die Kinder nach lebbaren Wegen zu suchen.

 

Freud und Leid

Im Prinzip finde ich Computer mit Internet und allem Drum und Dran ganz toll. Eine prima Schreibmaschine mit vielen Extras, die Schreibfehler ungeschehen machen kann, ein Lexikon, ein Einkaufsberater, eine Bilderanschaumaschine, ein wahres Wunderding. Und alles schnell jederzeit verfügbar, ich kann nachts im Pyjama shoppen gehen oder wichtige E-Mails bearbeiten. Leider merke ich von dieser Erleichterung des Lebens mit ihrem Zeitsparpotenzial meist überhaupt nichts. Schnell im Internet etwas nachschauen kann dreimal so lange dauern wie gedacht, und manche Freundin ist verwundert, wenn ihre Nachricht nicht binnen 24 Stunden beantwortet wird. Ein Paradox, unter dem auch mein Mann sehr leidet. Seine computertechnischen Fähigkeiten schätze ich durchaus, ein solcher Systembetreuer in den eigenen vier Wänden ermöglicht es mir ungehemmt auf meiner Ignoranz den Tücken und Finessen des Mediums gegenüber zu beharren und dennoch stets auf verfügbare Computernutzung zu vertrauen. Allerdings verüble ich es mei - nem Mann, wenn er wieder viel zu lange installiert, updated oder speichert. Er ist zwar körperlich da, aber dennoch abwesend, gefangen in den Weiten des world wide web.

 

Suchtpotenzial

Bei mir hinterlassen Recherchen im Internet meist einen schalen Beigeschmack. Viele neue Informationen kann ich mir suchen, aber es bleibt in der Regel sehr oberflächlich, es berührt mich nicht wirklich. Wie anders geht es mir bei Büchern, Zeitungen oder Radio. Aus diesen Medien schöpfe ich Inspirationen, Gedanken, die in meinem Kopf Wurzeln schlagen und weiterwachsen. Manchmal denke ich, Fernsehen und Computer ist wie fast food. Manchmal ganz praktisch, aber mit Suchtpotenzial. In dem Zusammenhang wundert es mich auch, wieviel Gedanken sich Eltern über die Ernährung ihrer Kinder machen, aber die Köpfe und Seelen mit Medienmüll verseuchen lassen. Ein Fernseher oder Computer im Kinderzimmer grenzt für mich an Geistesverletzung. Kein Kind kann dem Sog der schönen, bunten Medienwelt widerstehen. Ich halte es für unsere Pflicht und Verantwortung als Eltern hier klare Grenzen zu setzen.

 

Klare Regeln

So bin ich immer wieder heilfroh, dass wir keine Diskussionen übers Fernsehschauen in unserer Familie haben, einfach weil wir keinen Fernseher besitzen. Dennoch schauen die Kinder und auch wir gemeinsam immer wieder DVDs, die Auswahl ist groß, aber es ist eben immer eine bewusste Auswahl. Es gibt keine Werbung, die Begehrlichkeiten weckt, und es kann jederzeit ausgeschaltet werden. Und auch wir nutzen manchmal den Bildschirm mit Peterson und Findus als Babysitter für die Kleinen, damit wir Eltern die Großen Vokabeln abhören können. Oder wir zelebrieren an manchen Abenden statt Vorlesen gemeinsam eine Folge von The Cosby Show anzusehen. Das gefällt groß und klein und wir haben alle was zu lachen. Unsere Kinder dürfen auch den Computer nutzen. Dieser steht für alle im Arbeitszimmer, daneben ist noch ein Laptop verfügbar. Die Schulkinder haben ein tägliches Zeitkontingent von 30 Minuten, das durch eine Zeitschaltuhr auch sicher gestellt ist. Das vermeidet leidige Diskussionen. Unsere Tochter nutzt ihre Computerzeit zumeist, um mit ihren Freundinnen zu kommunizieren, der große Sohn spielt Lego Star Wars Spiele, schaut Clips von Otto Walkes auf youtube oder informiert sich über neue Lego Sets. Beide Kinder haben mit einem Computerkurs das Tippen mit zehn Fingern gelernt, da uns dies für eine gute Nutzung des Computers als Schreibgerät unerlässlich scheint.

 

Gesunde Mischung

Solange den Kindern das unmittelbare Spielen und Toben in Haus, Hof und Garten mit Geschwistern und Freunden wichtiger ist als die Zeit am PC oder mit einer DVD scheint es eine „gesunde“ Mischung von realem Leben und Medienwelt zu sein. Ganz entziehen können und wollen wir uns diesen Möglichkeiten nicht, aber ein sehr kontrollierter und bewusster Umgang ist für uns unbedingt notwendig. Inzwischen wissen wir ja auch aus der Gehirnforschung, dass die Einflüsse der Medien, die optischen und akustischen Reize in schneller Folge die Hirnstrukturen und ihre Vernetzungen beeinflussen. Die Kindheit fliegt so schnell dahin und die Zeit, die uns Eltern bleibt, die Umgebung unserer Kinder zu gestalten, ist nicht lang. Umso wichtiger scheint es uns, dass wir genau überlegen welche Informationen, Bilder, Erlebnisse wir mit unseren Kindern teilen wollen. Jedes Buch, das wir mit den Kindern lesen, jedes Spiel, das wir mit ihnen spielen, jede Unterhaltung, jede gemeinsame Aktion, jede Radtour, jeder Spaziergang, jeder Kirchgang, jede Alltagserledigung ist wertvoll. Sowohl in Kopf und Herz jedes Familienmitglieds als auch im Familiennetzwerk insgesamt knüpft das immer wieder neue Verbindungen, erweitert den Horizont und bildet die Welt. Erst auf diesem Hintergrund, der Erfahrung verlässlicher Beziehungen, einer verinnerlichten ethischen Landkarte, einer authentischen Emotionalität und eines ausgeprägten Ich-Bewusstseins hat ein Kind und eigentlich jeder Mensch die Chance, vernünftig und angemessen mit den neuen Medien umzugehen. Wir möchten nicht, dass die Köpfe unserer Kinder mit einer unkontrollierten Bilderflut belastet, verwirrt, beschämt werden. Wir wünschen uns, dass sie sich frei entfalten und eigene Träume entwerfen können, dass sie direkte Erfahrungen in der Natur, der Kultur und mit einem realen Gegenüber machen können. Kurz, sie sollen die Fülle des Menschseins in allen Dimensionen erfahren können und nicht auf die Rolle als kommerziell verwertbarer User geprägt werden.

 

B.R.

Aus: unser weg, Schönstatt Familienmagazin 2/2010

www.unserweg.com


 

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