TV-Sendung im Kinderkanal © K. Glas

Fernsehfasten - für ein neues Miteinander

04.09.2009


Wir sind eine Familie, wie es sie heute vielleicht nicht mehr allzu oft gibt: mit Vater, Mutter und fünf Kindern. Unsere älteste Tochter ist 15 Jahre alt und mitten in der Pubertät. Unser Sohn ist 14, und auch er beginnt, seinen eigenen Weg zu suchen. Dann haben wir noch zwei Töchter im Alter von 11 und 9 Jahren - sie sind in der Phase zwischen Spielkindern und Heranwachsenden - und unseren Nachzügler mit zwei Jahren. Seit er bei uns ist, ist vieles anders geworden. Vor allem nehmen wir wieder mehr Rücksicht aufeinander.

 

Klar, auch wir sind dem Einfluss der Gesellschaft ausgesetzt: Computerspiele, Internet, Fernsehkonsum und alles Mögliche an Überfluss, der unsere Gesellschaft zwar „reich", aber nicht unbedingt glücklich macht. Die Terminkalender unserer Kinder sind voll, und das Familienleben muss sich - neben der Arbeit der Eltern - danach richten. Gemeinsame Mahlzeiten sind aufgrund der unterschiedlichen Schulzeiten selten geworden. Obwohl ich das nie wollte, hat sich eine Mentalität eingeschlichen, dass jeder zu einem anderen Zeitpunkt essen will. Da passiert es ganz schnell, dass das Einnehmen der Mahlzeiten kein Gemeinschaftserlebnis mehr ist, sondern nur noch Befriedigung des Esstriebes.

 

Wo bleibt Raum für's Wesentliche?

Ich habe schon wiederholt eine Heilfastenkur gemacht. Dabei wird der Körper entschlackt, aber auch Seele und Geist bekommen Raum, um sich vom Überfluss zu erholen. Das ist immer eine ganz besondere Erfahrung für mich, die tief eingreift und zufrieden macht. Meine Familie fastete „unbemerkt" etwas mit, indem der Speiseplan während der Fastenzeit für alle etwas einfacher aussah. Auf Süßigkeiten zu verzichten fiel den Kindern zwar nicht leicht, aber sie gaben ihr Bestes.

 

Dieses Jahr (2006) sollte ich als Heilpraktikerin erstmals eine Heilfastengruppe als Betreuerin begleiten. Die abendlichen Treffen für Seele und Geist mussten vorbereitet werden - und die Zeit war recht knapp. Auf dem Themenkatalog standen Stichworte wie Liebe, Nächstenliebe, Gottvertrauen, Disziplin - aber auch Neid, Missgunst, Stolz, Maßlosigkeit. Während ich diese Themenabende vorbereitete, stellte ich - nicht immer erfreut - fest, wie eingefahren so manche Muster in unserer scheinbar heilen Familie sind. Den Streit und Neid zwischen den Geschwistern sah ich genauso mit neuen Augen wie die Rücksichtslosigkeit unserer Pubertierenden. Aber auch wir Eltern kamen nicht immer gut weg. Wo war in unserem hektischen, gestressten Leben Zeit für das Wesentliche? Verlangen wir nicht öfters etwas, das wir selbst nicht bereit sind zu geben? Nehmen wir uns Zeit, um mit unseren Kindern im Gespräch zu bleiben? Mir wurde bewusst: Besonders der Fernsehkonsum lässt uns immer mehr verstummen. Die Werbung, der wir uns kaum entziehen können, gaukelt uns vor, dass alles noch besser, noch schöner, noch intensiver sein müsste. Und anstatt uns über unseren Wohlstand zu freuen, klagen wir ständig darüber, dass uns bald das Geld nicht mehr reichen wird. Reichen wozu? Zum Gespräch? Zum gemeinsamen Lachen, Lieben, Singen, Wandern, Spielen, Reden?

 

„Aus" für unsere Flimmerkiste

Wie so oft konnte ich glücklicherweise meine Gedanken mit meinem Mann austauschen. Doch: erkennen von Problemen ist die eine Seite, sie abzustellen oder gar zu verwandeln die andere. Oft ist es gar nicht einfach, den Weg zu erkennen und es bedarf der Hilfe - der Hilfe vom Heiligen Geist.

Am Tag vor dem Beginn meines Heilfastenkurses verkündete mein Mann aus heiterem Himmel am Esstisch, dass während der diesjährigen Fastenzeit der Fernseher generell „aus" bleiben solle; Fernsehfasten wäre angesagt. Im ersten Moment gab es „unglaubliche" Gesichter und hitzige Diskussionsversuche, doch mein Mann blieb bei seiner Position. Ich war gespannt, wie lange dieser Vorsatz Bestand haben sollte, war mein Mann doch selbst ein begeisterter Anhänger der „Flimmerkiste" ...

 

Enorm positive Effekte

An neun der folgenden Abende verließ ich meine Familie, um meine Fastengruppe zu treffen. Zu Hause wurde währenddessen gebastelt, Musik gemacht, Schach gelernt, gespielt; es wurden sogar neue Spiele erfunden. Mein Mann hatte Zeit, mit den Kindern zu lernen, es entwickelten sich lebhafte Gespräche über Gott und die Welt - und wir hatten das Gefühl: Das Leben findet wieder miteinander statt. Vor allem die Zeit des Abendessens war plötzlich nicht mehr vorgegeben vom Beginn der Nachrichten oder sonstiger Fernsehsendungen.

Auch die Samstage gewannen an Qualität. Unsere Älteste stellte nach vier Wochen fest: „Seit ich nicht mehr mit allem bis 15.00 Uhr zum Beginn meiner Lieblingsserie fertig sein muss, habe ich plötzlich so viel Zeit. Eigentlich ist die Fernseherei doch vergeudete Zeit!". Diese Feststellung hat mich besonders gefreut - und unsere Tochter schaut bis heute freiwillig Samstagnachmittags nicht mehr fern.

 

Insgesamt kann ich sagen, diese sechs Wochen Fernsehfasten haben unserer Familie nur gut getan. Nicht bei allen Mitgliedern war der Erfolg so anhaltend wie bei meinem Mann und unserer ältesten Tochter. Doch insgesamt haben wir alle davon profitiert. Vor allem die Tatsache, dass der Vater es selbst diszipliniert vorgelebt hat, war überzeugend. Das hat ihn - ohne viele Worte - wieder glaubwürdiger gemacht.

Heute kann der Fernseher auch mal während des Jahres bewusst „aus" bleiben. Als unser Gerät vergangenen Monat kaputt ging, habe ich mich sogar ein wenig darüber gefreut. Erst nach drei Wochen hat mein Mann zwecks Sportschau einen kleinen Fernseher organisiert und aufgestellt. Der große wurde bis heute noch nicht zur Reparatur gegeben. Das zeigt, dass der Fernsehkonsum nicht mehr den Stellenwert hat wie früher.

 

So kann Gott wieder ankommen

Fernsehfasten - oder auch Computerfasten - macht uns und unsere Kinder frei für andere, es befreit unsere Seele und stärkt unseren Geist für Neues. Die sechs Wochen Fernsehfasten im letzten Jahr haben uns jedenfalls bestärkt, uns auch in dieser Vorbereitungsphase auf Ostern eine Auszeit von der Berieselung zu nehmen, um wieder selbst kreativ zu werden. Denn dann kann außer Sportschau, Marienhof, Tatort ... auch Gott mit seiner Liebe wieder bei uns ankommen. Als unsere erste Programmwahl!


Aus: BEGEGNUNG - Zeitschrift aus Schönstatt für Frauen, 1/2007

www.zeitschrift-begegnung.de


 

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