Arbeitszimmer © K. Glas

Können wir uns genügend abgrenzen?

04.09.2009

Meine über 80-jährige Mutter rief täglich etwa sieben- bis achtmal bei uns an. Sie wusste nicht mehr so recht mit sich etwas anzufangen. Das hat uns mit der Zeit völlig überfordert und wir haben nach Lösungen gesucht. Zuerst haben wir uns einen Anrufbeantworter angeschafft. Das hat aber meiner Mutter nicht wirklich geholfen. Sie hat ganz verärgert auf den Anrufbeantworter gesprochen: „Ich weiß, dass du da bist, nimm endlich ab. Du bist doch meine Tochter und du hast dafür zu sorgen, dass ich nicht so langweilig vor mich hin vegetiere."

Wir mussten eine Lösung finden für meine Mutter und für uns, dass wir auch als Familie noch unser Eigenleben führen konnten. Ich bemühte mich, eine alte Schulkameradin meiner Mutter ausfindig zu machen. Nach langem Suchen gelang es. Gott-sei-Dank war sie noch rüstig und konnte meine Mutter besuchen. Das hat die Lage deutlich entspannt. Schlagartig gingen die täglichen Anrufe zurück.

Nach wie vor bleibt eine Spannung und Herausforderung für uns, einerseits meiner Mutter die Liebe und Zuwendung zu geben, die sie braucht und andererseits als Familie mit kleinen und pubertierenden Kindern zu „überleben".

X.

Sich Freiheiten zugestehen

Mein Leben bewegt sich im Spannungsfeld zwischen erwachsenen Kindern und Enkelkindern einerseits und den greisen Eltern andererseits. Wie dies zu bewältigen ist, dafür gibt es - wie immer im Leben - kein Patentrezept. Ich meine aber, wenn man Christ ist, heißt das nicht automatisch, dass man seine alten Eltern auf jeden Fall bei sich aufnimmt und andernfalls ein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man sie im Altersheim unterbringt. In diesem Zusammenhang ist der Aspekt der Freiheit ganz wichtig.

Meine Mutter hat mich selber darauf angesprochen. Sie ist geistig noch klar, aber körperlich ganz gebrechlich. Sie hat gesagt, wenn ich die Pflege nicht mehr leisten kann, darf ich sie ins Altersheim geben.

Das entlastet mich total. Das gibt mir die Freiheit, so viel zu leisten, wie ich kann. Aber wenn ich es nicht kann - zum Beispiel sie zu heben - dann habe ich die Freiheit, sie ins Altersheim pflegen zu lassen. Das entspannt unsere Beziehung ungemein. Ich hoffe nicht, dass es so weit kommt...

 X.

Aus: UNSER WEG, Das Schönstatt Familienmagazin, 1/2007

www.unserweg.com


 

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