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Mutter-Sohn-Beziehung: innig und frei

27.07.2012


Die Mutter-Sohn-Beziehung gilt als innigste zwischenmenschliche Verbindung zwischen Eltern und Kindern überhaupt. Sie ist ein großes Geschenk und manchmal auch eine anstrengende Herausforderung.

 

Untersuchungen zeigen, dass Jungen im Durchschnitt länger gestillt werden und mehr körperliche Zuneigung zum Beispiel durch Kuscheln erfahren als ihre Schwestern. Das mag zum einen daran liegen, dass einem Jungen schon mit wenigen Jahren seine Andersartigkeit bewusst wird. Dies kann zu Verunsicherungen führen und zu einem beiderseitigen Bedürfnis nach besonderer Nähe. Unser großer Sohn prägte in unserer Familie lange Zeit den Satz: „Du musst solange mit mir kuscheln, bis mein Kuschelsäckchen ganz gefüllt ist.“

 

Faszination Sohn

Evelyn Bassoff, amerikanische Psychologin und Therapeutin, glaubt zudem, dass es für Frauen immer noch etwas Besonderes ist, einen Sohn zu gebären. Ein Sohn fasziniere seine Mutter, weil er ihr durch seine Andersartigkeit Zugang zu der für sie fremden Welt des Männlichen verschaffe.

 

Während meines Studiums habe ich einige Jahre in einem Heim für verhaltensauffällige und psychisch belastete Mädchen gearbeitet. In dieser Zeit habe ich mich viel mit der Erziehung von Mädchen befasst und dabei im Hinterkopf immer die Frage bewegt, wie ich einmal mit meinen eigenen Töchtern umgehen möchte, damit sie zu starken und selbstbewussten Frauen heranwachsen können. Dabei habe ich natürlich auch meine eigene Geschichte betrachtet und hinterfragt. Ich weiß noch, wie überrascht ich war, als uns als erstes Kind ein Junge geboren wurde. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Und ich war sehr dankbar dafür, denn so konnte ich mich unbelastet und ohne innere Bilder und Vorstellungen dieser „fremden Welt Sohn“ zuwenden.

 

Vor kurzem besuchte ich eine alte Freundin, die ich schon seit einigen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie ist Mutter von vier Söhnen und eine stille und sehr friedfertige Frau. „Waffen kommen mir mal nicht ins Haus, wenn ich Kinder haben sollte.“ Um so überraschter war ich, als einer ihrer Jungs mit einer Spielzeugpistole zu ihr kam, und sie diese mit geübtem Blick und sicheren Handgriffen wieder „schussbereit“ machte. Lächelnd drückte sie dann die Pistole ihrem dankbaren Sohn in die Hand, der sie dafür mit leuchtenden Augen ansah.

 

Loslassen ins Leben

In der engen Beziehung zwischen Mutter und Sohn liegt aber auch die Gefahr, dass Mütter ihre Söhne nur ungern in die harte Welt ziehen lassen möchten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden lebten im Jahr 2007 noch 14 Prozent der 30-jährigen Männer bei den Eltern, aber nur 5% der gleichaltrigen Frauen. Die kürzlich veröffentlichte Rheingoldstudie berichtet zudem über die zunehmende Bedeutung von „Hotel Mama“ für die jungen Erwachsenen. Es sei ein Bollwerk gegen Zukunftsangst in einer unsicheren bindungsarmen Zeit.

 

Doch so faszinierend die Welt der Söhne für ihre Mütter sein mag und so ungern sie ihre Jungs ziehen lassen wollen, so groß ist auch die Herausforderung, sie nicht in der Welt des Weiblichen zu belassen. Sie brauchen ihren Vater und andere männliche Vorbilder, die ihnen Identifikation ermöglichen und ihnen Bilder von einem gelungenen freudigen Leben als Mann aufzeigen. Robert Bly, Autor des Buches „Eisenhans“, schreibt, dass Mütter nicht dafür gerüstet sind, ihren Söhnen beizubringen, was sie wissen müssen, um Männer zu werden. Die nicht immer leichte Aufgabe von Müttern ist es, sie in diese Welt ziehen zu lassen – auch wenn sie zu wissen meinen, was ihren Söhnen gut tut.

 

Eigenständigkeit

„Neben vielen anderen Dingen habe ich beim Erziehen unseres Sohnes gelernt, dass meine Rolle in seinem Leben beschränkt ist“, so eine Mutter, „und ich habe gespürt, wie wichtig es ist, mein eigenes Leben zu leben und nicht das unsres Sohnes.“ Von Oscar Wilde las ich den Satz: „Selbstsucht bedeutet nicht, so zu leben, wie man es wünscht, sondern einen anderen zu bitten, so zu leben, wie man selbst zu leben wünscht.“ Indem Söhne ihre Mutter als eigenständige und selbstbewusste Frau wahrnehmen, die eigene Interessen und Lebensvorstellungen hat, lernen sie ein Frauenbild zu entwickeln und zu schätzen, das nicht auf die fürsorgliche Mutter beschränkt ist. Und es wird ihnen leichter und freudiger gelingen, sich von ihrer Mutter zu lösen, da diese sie nicht zur Erfüllung ihres eigenen Lebens braucht.

 

Vorbild

Auch der Umgang des Vaters mit der Mutter prägt in besonderer Weise das Frauenbild (und Männerbild) des Sohnes. „Im Verhalten meines Mannes sehe ich den wertschätzenden Umgang seines Vaters mit seiner Mutter. Wenn unsere Kinder sich beschimpfen, schreitet er ein. Wenn es aber eines unserer Kinder wagen sollte, mich in seinem Beisein zu beschimpfen, wird er mehr als deutlich und macht dem sofort ein Ende“, erklärt eine Freundin. Und als ich einmal unserem Jüngsten eine deutliche Grenze setzen musste, stand er wutschnaubend einige Meter vor mir. Ihm war deutlich anzusehen, dass er gleich platzen würde. Mit geballten Fäusten rannte er auf mich zu, machte dann einen Bogen um mich, und „prügelte“ auf meinen Mann ein. Denn die Mama ist „Naturschutzgebiet“, und das war schon in der Familie meines Mannes so.

 

„Am Anfang aller großen Dinge steht eine Frau,“ Dieses Zitat des französischen Dichters Alphonse de Lamartine ist ein Kompliment an alle Mütter. Dem Großen in unseren Söhnen seinen Raum zu geben, darauf zu vertrauen, dass sie finden werden, wozu sie von Gott gedacht sind, ist eine manchmal schmerzliche, aber dennoch wunderbare Aufgabe.

 

Aus: unser weg, Schönstatt Familienmagazin 4/2010

www.unserweg.com


 

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