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Mutter-Tochter-Beziehung: Ich sehe Dich in mir

14.02.2012


Viele Frauen sind Mütter, aber jede Frau ist Tochter. Den Weg, von der ursprünglich symbiotischen Einheit mit der Mutter hin zur eigenständigen Identität gestaltet sich nicht selten in vertrautem Miteinander, aber auch in spannungsvoller Abgrenzung.

 

Die Liste der Buchtitel, die die Beziehung zwischen Müttern und ihren Töchtern in den Blick nehmen ist lang. Im Wesentlichen scheint dieses besondere Verhältnis von Problemen belastet zu sein. Es handelt sich entweder um Loslösungsstrategien von der überbehütenden Mutter oder um die Kompensation von zu wenig erhaltener Liebe.

 

Nähe und Distanz

Töchter haben es erst mal ziemlich gut. Im Gegensatz zu den Söhnen, die sich schon mit wenigen Lebensjahren ihrer Andersartigkeit zur Mutter bewusst werden müssen, können Mädchen viele Jahre sehr eng, fast symbiotisch mit ihrer Mutter leben. Eine innere Loslösung ist erst mal nicht notwendig. Die Psychologie erklärt aus diesem Umstand heraus die Beobachtung, dass kleine Mädchen häufig selbstbewusster und stärker sind, als ihre männlichen Altersgenossen. Mit der Pubertät aber wird es auch für Mädchen notwendig, diesen Schritt zu gehen, um ihre eigene Identität zu finden. In einer Studie las ich, dass ein Großteil der Töchter nicht so werden möchte wie die eigene Mutter. Und das ist wohl nur natürlich und gut, denn nur in der Abgrenzung entwickelt sich das eigene Selbst. Nur so kann entdeckt werden, was ins Leben kommen möchte in einer eigenständigen Persönlichkeit. Und nur als solche können sich Mutter und Tochter in Achtung und Liebe wieder neu begegnen. Diese Zeiten der Entwicklung sind (für beide) sicher nicht immer leicht auszuhalten.

 

Verständnis entwickeln

Eine Freundin erzählte mir dazu ihre Geschichte: „Meine Mutter wollte mir immer sehr nahe sein, Freundin sein. Das war mir als Jugendliche oft zu eng und ich bin zu ihr deutlich auf Abstand gegangen. In späteren Jahren habe ich in der Betrachtung der Lebensgeschichte meiner Mutter verstanden, warum sie so und nicht anders handeln konnte. Sie verlor ihre eigene Mutter im Alter von 16 Jahren durch Krankheit, der einige Jahre der Pflege vorausging. Sie hat sie sehr vermisst, zumal es zur damaligen Zeit wenig Verständnis für Trauerarbeit gab. Mir wollte sie einfach in meiner Jugend nur die Mutter sein, die sie selbst nie gehabt hatte, und von der sie dachte, dass sie sie so gerne gehabt hätte.“ Vielleicht tut es gut, sich in die Geschichte der eigenen Mutter hineinzuversetzen. Und sicher ist es ebenso gut, sich als Mutter immer wieder daran zu erinnern, wie man selbst als Tochter empfunden hat.

 

Andersartigkeit schätzen

Während der Kommunion-Vorbereitung unseres ältesten Sohnes kam ein Mädchen der Gruppe zusammen mit ihrer Mutter in die Runde. Beide waren von den Schuhen bis zur Frisur identisch gekleidet. Auch die Sprache des Mädchens war sehr verräterisch: „Wir finden gut, dass...“ oder „Das mögen wir nicht...“. Als ich mit der Mutter dann ins Gespräch kam, stellte sich heraus, dass sie es wunderbar findet, so viel Interessen mit ihrer 9-jährigen Tochter teilen zu können. Ich habe das Glück, dass meine Tochter so ganz anders ist, als ich. Da stehe ich immer wieder staunend davor. Sie scheut sich nicht, auf einer großen Bühne zu stehen, und auch im Alltag spielt sie gerne dramatische Rollen. Sie sucht den Konflikt und lässt mit Schwung die Türen knallen. Sie ist zäh und weiß, was sie möchte.

 

Was bleibt

Einmal mehr nehme ich mir vor, mich und mein Leben nicht aus dem Blick zu verlieren, meine Träume selbst zu verwirklichen und so an mir zu arbeiten, dass ich auch mit mir selbst in Einklang lebe. Es ist mir auch wichtig, unsere Kinder und ganz besonders unsere Tochter nicht mit zu vielen Erwartungen zu belegen, aus denen sie sich erst mühsam befreien müssen. Und es ist vor allem auch die Liebe zu meinem Mann, die ich lebendig halten möchte. Er ist es, mit dem ich ein Leben lang zusammen sein und Erfüllung finden möchte.


Aus: unser weg, Schönstatt Familienmagazin 3/2010

www.unserweg.com


 

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