Jugendlicher im Scherenschnitt © K. Glas

Persönlich begleiten

15.04.2011


Wenn unsere Kinder älter werden und sich immer mehr der Welt außerhalb des Elternhauses zuwenden, ist es von großer Bedeutung, mit wem sie ihre Zeit verbringen.

Wir sind darauf angewiesen, dass die Heranwachsenden Menschen begegnen, die sie ernst nehmen, herausfordern und stärken. Ein Beispiel.

 

Cool, aber klar

Eben schrieb ich eine Dankeskarte an den Schlagzeuglehrer unseres Sohnes. Er hatte ihn über zehn Jahre unterrichtet und ihn darüber hinaus in einer Percussionsgruppe engagiert. Dabei stand für uns neben der musikalischen Ausbildung vor allem die persönliche Begleitung unseres Sohnes im Vordergrund. Dieser Lehrer hat ihn herausgefordert, einen lockeren, guten Umgang für seine Unbeständigkeit in der pubertären Phase gefunden, ihm auch mal die Leviten gelesen, wenn er zu vergesslich oder zu nachlässig war. Er hat ihn eingesetzt für die Betreuung kleinerer Schüler und ihm immer wieder Aufgaben gegeben, an denen er selber gewachsen ist, indem er ihm zum Beispiel die Verantwortung für die Instrumente der ganzen Gruppe gab. Einmal hat er ihm humorvoll einen Terminkalender überreicht, weil er immer wieder Termine verschwitzt hat. Er hat an ihn geglaubt, weil er seine guten Seiten und seine Talente erkannt hat und sie zum Leuchten bringen wollte. Ein Ausspruch dieses Lehrers: Besser, er hat Termine und vergisst mal einen davon, als dass er auf der Straße herumlungert und nicht weiß, wie er seine Zeit verbringen soll. Er war nie der Kumpel, sondern immer der Lehrer, den unser Sohn bis heute mit „Sie“ anspricht. Seine Art ist jugendgemäß, locker und cool, dabei aber sehr klar.

 

Neue Kontakte

Als unsere älteren Kinder an der Schwelle der Pubertät waren, haben wir eine Familie mit sechs Kindern gefragt, wie es ihnen gelungen ist, alle gut durch diese Phase zu bringen (und auch so, dass sie sich weiterhin für Glauben und Kirche interessieren.) Ihre Antwort: „Jugendliche lösen sich in dieser Phase von den Vorstellungen, Ansichten, Überzeugungen der Eltern ab. Sie sehen klarer auch die Unzulänglichkeiten der Eltern, akzeptieren das Führen durch die Eltern nicht mehr. Wenn es gelingt, sie in Kontakt mit einer Gruppe oder auch nur einer Einzelperson zu bringen, in der sie gut aufgehoben sind, sich wohl und verstanden fühlen, die ähnliche Interessen verfolgen wie sie, dann hat man gewonnen.“ Wir haben dann gemerkt: es ist gar nicht so einfach, so einen Kontakt zu finden. Man müsste sich die Leute gießen können! Wir haben es als Eltern nicht in der Hand, ob sie so eine Person oder Gruppe finden. Wir sind darauf angewiesen, dass unsere Heranwachsenden solchen Leuten begegnen, ja, dass andere Leute, manchmal auch Erwachsene, eine Art „Ersatzelternfunktion“ übernehmen. Wir glauben, dass wir als Eltern vertrauen müssen, dass Gott Menschen bewegt, sich unserer Heranwachsenden anzunehmen und vielleicht auch uns dazu gebraucht, solche Begleiter für Kinder anderer Familien zu sein.

 

Geschenk

Bei unserem Sohn hat dieser Kontakt mit einer Person und einer Gruppe geklappt. Zum Abschluss der spannenden Saison „Jugend musiziert“, bei der sie bis zum Bundeswettbewerb gekommen sind, haben die Schlagzeuger ihrem Lehrer einen Bildband mit Fotos von diesem Wettbewerb geschenkt. Unser Sohn hat sich in der Widmung darin bedankt für die Begleitung und das „Mentoring“ in den vergangenen Jahren.

 

X.

Aus: unser weg, Schönstatt Familienmagazin 3/2009

www.unserweg.com


 

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