Jungs am Hambacher Schloss © K. Glas

Was leistet Erziehung?

23.08.2011


In Gesprächen mit Eltern kann immer wieder erlebt werden, dass diese Schuldgefühle haben, wenn sich ihre Kinder nicht so entwickelt haben, wie sie sich das erhofft hatten. Verbunden mit dieser Enttäuschung geht dann die Frage einher: „Was haben wir bloß falsch gemacht?“

 

Und das raubt Eltern oft die Freude. Sie leiden daran, dass eines der Kinder vielleicht nicht mehr in den Gottesdienst geht oder einen andersgläubigen Partner geheiratet hat, oder einfach mit einem Partner zusammenlebt, ohne zu heiraten, oder sich hat scheiden lassen – die Liste könnten wir beliebig verlängern. Immer wieder kommt am Ende aber die belastende Frage: „Was haben wir bloß falsch gemacht?“

 

Eltern haben das Recht, Fehler zu machen

Darin offenbart sich häufig auch eine Tendenz zur Überverantwortung. Als seien die Eltern noch heute dafür verantwortlich, was ihre erwachsenen Kinder tun. Dabei kann ich in der Mehrzahl der Fälle davon ausgehen, dass die Eltern damals mit bestem Wissen und Gewissen ihren Kindern alles mitgeben wollten, was ihnen selber kostbar war:

  • Moralische Werte wie Wahrhaftigkeit, Vertrauen, Solidarität, Teilen.

  • Religiöse Werte wie eine lebendige Gottesbeziehung, die sich im Gebet, im Gottesdienst, in Glauben und Hoffen, in Barmherzigkeit und Liebe äußert.

 

Natürlich haben alle Eltern das Menschenrecht, Fehler zu machen – auch in der Erziehung. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem sich die Eltern sagen müssen und dürfen: „Wir haben Euch das mitgegeben, was uns kostbar war. Was Ihr jetzt daraus macht, ist Eure Sache und liegt in Eurer Verantwortung.“ Eigenartigerweise schaffen es viele Eltern nicht, sich innerlich in diesem Sinne loszulösen von ihren Kindern.

 

Erfolgreicher als Jesus?

Dazu kommt, dass viele erfolgreicher sein wollen als Jesus selbst. Als er das Kostbarste, die Eucharistie, den Menschen schenken will, da wenden sie sich von ihm ab und meinen: „Deine Rede ist unerträglich.“ In der Situation, in der das Ganze kippt, hat Jesus die Souveränität, seine Jünger zu fragen: Wollt nicht auch Ihr gehen? (vgl. Joh 6,67) Diese Freiheit, die Jesus seinen Jüngern lässt, ermöglicht Petrus zu sagen: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens.“ (Joh 6,68f) Wenn einer etwas von religiöser Erziehung versteht, dann muss es Jesus sein. Aber auch er ist – zumindest, was die Zeit seines irdischen Lebens betraf – nicht sehr erfolgreich gewesen. Das sollten Eltern immer mit bedenken, damit sie in ihrem Ehrgeiz nicht mehr erreichen wollen als Jesus selbst.

 

Sich befreien

Wenn wir andererseits sehen, wie viele junge Erwachsene mit Polizei und Gericht zu tun haben, wie viele auf ständige Betreuung durch Sozialarbeiter angewiesen sind, dann ist es doch schon ein Erfolg, wenn die erwachsenen Kinder ganz normal ihrer Arbeit nachgehen, ganz normal einen Partner finden. Da ist doch ganz viel an Wertvermittlung und an praktischer Lebensbewältigung vermittelt worden. Das gilt es doch auch zu sehen und sich zu freuen! Natürlich kann man sich immer mehr erwarten, aber der elterliche Ehrgeiz kann die Ansprüche ins Unermessliche steigern. Deshalb wirkt es befreiend, solche seelischen Mechanismen zu durchschauen und sich nicht von ihnen versklaven zu lassen.

 

Das Wichtigste ist die Liebe – nicht die weiße Weste ...

Ein weiterer seelischer Mechanismus, der Eltern die Freude rauben kann, ist die ständige Frage: „Was denken denn jetzt die anderen von uns?“ Damit verbunden ist die Frage nach der Ehre und des guten Rufes. Natürlich tut es gut, wenn man da - von ausgehen kann, dass die Nachbarn, die Verwandtschaft und die Öffentlichkeit im näheren Umfeld gut über einen denken. Aber letzten Endes ist doch entscheidend, welchen guten Ruf ich vor Gott und vor mir selber habe. Und Gott gibt uns deutlich zu verstehen, dass ihm das Wichtigste die Liebe und nicht die weiße Weste ist. Wenn wir ihm gegenüber unser Kleinsein, unser Geschöpfsein anerkennen, dann liebt er uns barmherzig, ja, dann wird unser bereutes Versagen, unsere Misserfolge für ihn ein Grund, uns noch barmherziger zu lieben.

 

Barmherzig werden

Wenn Eltern diesen Weg gehen könnten und am Ende zu dem Frieden gelangen würden, der in diesem Weg liegt – wie viel Verbitterung und Leid würden aus unseren Gemeinden verschwinden! Wie viel Lockerheit und innerer Friede wären möglich! Wer die Wirklichkeit ohne wenn und aber annehmen gelernt hat, der spürt einen tiefen Frieden. So wird der vordergründige Misserfolg in der Erziehung zum Stachel im Fleisch, um erfolgreich die Wirklichkeit annehmen zu lernen. Das Ergebnis ist oft eine innere Barmherzigkeit und eine größere Toleranz, die aber nicht mit Resignation vor den Verhältnissen verwechselt werden darf.

 
Aus: unser weg, Schönstatt Familienmagazin 1/2010

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