Frieden schaffen: Skulptur vor Sitz der UNO, New York, © H. Brehm

"Wenn ich Du wäre..."

17.04.2012


Die Streitereien unserer Kinder können uns manchmal den letzten Nerv rauben. Dass wir mit dieser Erfahrung nicht alleine sind, ist dann oft nur ein kleiner Trost.

 

Manchmal gelingt es uns aber auch, die andere Seite zu sehen. Sie können täglich das Zusammenleben von Menschen miteinander ausprobieren, und dies in einem Rahmen, der niemanden verwirft. Unsere Kinder haben glücklicherweise Menschen um sich herum, mit denen sie erleben und erfahren können, dass Streit nicht zu Trennung führt. Und sie können verschiedenste Wege erproben, ihren Willen durchzusetzen - oder mit Niederlagen umzugehen. Das gleiche gilt für uns Eltern, die wir ihnen verschiedene Strategien an die Hand geben können. Wir brauchen ja nicht den Streit unserer Kinder lösen. Dazu ein Beispiel:

 

Unsere beiden Großen stritten sich um eine Babypuppenflasche, die ich unserer Tochter (3) nach einem schwierigen Arztbesuch gekauft habe. Diese lag nun schon seit einigen Tagen unbeachtet herum, dann entdeckte sie unser Sohn (4). Daraufhin fiel seiner Schwester sofort ein, dass das ja ihre Flasche sei. Ich schaltete mich in diesen Streit ein, und bat Elias, die Flasche doch bitte seiner Schwester zurück zu geben, worauf der lautstark protestierte. Er beharrte auf unsere Regel, dass der, der ein Spielzeug genommen hat, es auch behalten dürfe, was ich dann auch einsah. Also bat ich seine Schwester, ihm doch wieder die Flasche zu geben. Das Geschrei nahm dadurch natürlich kein Ende.

 

Irgendwie fragte ich mich dabei, was ich hier eigentlich mache... eine Lösung kam nicht in Sicht. Also nahm ich die Flasche, legte sie auf den Tisch und sagte, sie fänden bestimmt eine gute Lösung für ihren Streit - und ging aus dem Zimmer. Einige Sekunden! später war Ruhe und sie spielten gemeinsam mit den Puppen und der  Flasche.

 

Ich denke, Kinder können sehr wohl Verantwortung übernehmen. Der Autor und Familientherapeut Rudolph Dreikurs geht davon aus, dass Streit unter Geschwistern immer Streit um die Aufmerksamkeit der Eltern ist. Er empfiehlt den Eltern sich zurückzuziehen und sich gar nicht einzumischen, bis der Streit beendet ist. „Richten Sie ihr Badezimmer wohnlich ein, da hinein können sie sich für die Zeit eines Streites zurückziehen. Nehmen Sie ein Radio mit, dann hören Sie die Streitereien nicht." So weit würde ich allerdings nicht gehen, denn das ist meines Erachtens eine meist undifferenzierte Handlung, die den verschiedenen Bedürfnissen der Kinder sicher nicht gerecht wird.

 

In meiner Arbeit in der Förderschule wurde ich vertraut mit der Methode des Streitschlichtens.

Dabei geht es darum, Kinder die ihren Streit beilegen wollen, auf ihrem Weg zu einer Lösung begleitend zu unterstützen. Diesen Umgang mit Streit versuchen wir immer wieder mal auch in unserer Familie.

 

Als Eltern können wir uns als Streitschlichter anbieten. Wichtig ist die Frage, ob die Kinder nach einer Lösung suchen möchten. Wenn die Kinder nicht mehr zu klein sind, können sie diese Frage beantworten. Antworten sie mit "Ja", setzen wir uns zusammen. Jeder hat die Chance, seine Sicht der Dinge zu erklären. Durch unser Nachfragen versuchen wir etwas mehr von ihren Beweggründen und Gefühlen zu erfahren.

In einem weiteren Schritt versetzen sich die Kinder dann in die Position des anderen - was unseren Kindern besonderen Spaß macht. "Wenn ich du bin, dann..." Sehr viel weiter mussten wir mit unserer "Methode" noch nicht gehen, denn die Kinder finden dann ihre eigenen Lösungen, oder können sich schon gar nicht mehr genau erinnern, um was es eigentlich geht.

 

Uns gefällt an diesem Umgang mit dem Streit unserer Kinder zweierlei:

 

- Wir machen den Streit unserer Kinder nicht zu unserem Problem, sondern belassen die
  Verantwortung bei ihnen.

- Und sie nehmen wahr, dass wir sie ernst nehmen in ihren Gefühlen und Bedürfnissen.
   Eigene Ideen zur Lösung eines Problems können wir ihnen anbieten, mehr aber auch nicht.

 

Natürlich gelingt uns das nicht immer. Wenn wir auf diese Weise aber mit den Streitereien unter unseren Kindern umgehen können, dann hat Streit auch etwas sehr Positives!

 

Aus: UNSER WEG, Schönstatt Familienmagazin, 2/2007

www.unserweg.com


 

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