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Verwirrungen des Lebens

23.04.2025


Sie wusste, dass sie immer wieder mal etwas vergisst. Dem einen oder anderen mochte sie vielleicht auch manchmal verwirrt erscheinen. Aber die wichtigen Sachen, hatte sie parat. Immer. Körperlich ging es ihr für ihr Alter noch ganz gut – im Gegensatz zu ihrem Mann. Der wohnte schon nebenan im Altenpflegeheim. Sie war noch im betreuten Wohnen. Täglich trafen sie sich. Sie half ihm und er half ihr. Sie waren ein eingespieltes Team.

Bis zu jenem Morgen, der alles veränderte. Tränen kullerten ihre Wangen herunter. Eine unfassbare Traurigkeit und Leere machte sich in ihr breit. Sie wusste es – trotz aller Vergesslichkeit. Es war wahr. Ihr Mann war verstorben. Nun war sie alleine. Was sollte sie tun? Trost. Das war es, was sie jetzt am meisten gebrauchen konnte. Im betreuten Wohnen gab es einen Pfarrer im Ruhestand. Schon lange kannten sie sich und waren gute Freunde. Sie rief ihn an und er kam. Das tat ihr gut. Er hielt mit ihr eine Andacht. Sie erinnerten sich zurück an ihren Mann, beteten und hofften, dass er nun bei Gott in guten Händen sein möge.

Später am Vormittag sollte es im Pflegeheim ein Konzert des kleinen hausinternen Chores geben. Normalerweise sang sie mit ihrem Mann mit. Aber was war an einem Tag wie heute schon normal. Nach singen war ihr so ganz und gar nicht zu Mute. Sie blieb lieber in ihrer kleinen Wohnung.

Da klopfte es an der Tür. Mit schweren Schritten ging sie hin und öffnete. Eine der Pflegerinnen kam vorbei. Sicherlich wollte sie einmal schauen, wie es ihr ging. Die Pflegerin erzählte: „Der Pfarrer, der bei ihnen war hatte die Nachricht vom Tod ihres Mannes den Chormitgliedern gesagt. Alle waren sehr betroffen und betrübt – bis auf eine ältere Dame im Rollstuhl. Sie meldete sich und meinte, sie habe heute morgen aber noch mit dem Verstorbenen gemeinsam gefrühstückt. Die Sänger waren verwirrt und so fingen Nachforschungen an.“ Die Pflegerin hielt kurz inne. Dann fuhr sie fort:

Ihr Mann ist nicht gestorben. Er lebt!“

Die Frau schaute die Pflegerin mit großen Augen an. Für einen Moment war sie unsicher, ob das stimmte, was ihr die Pflegerin da sagte. Doch es schien wahr zu sein. Da wurde ihr Blick wach und hell. Sie strahlte plötzlich über das ganze Gesicht. Kaum zu glauben, ihr Mann lebt.

Da rief sie: „Er ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“

Schnell machte sie sich auf und ging nach nebenan zu ihrem Mann. Gemeinsam hörten sie sich noch die letzten Lieder des Konzertes an. Wenn so etwas wie heute nicht ein Grund zum Singen ist!

Eva


 

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