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Wie wir wahrnehmen, wer Kanzler kann

14.04.2021

Klaus Glas

In den letzten Tagen schrieben die Zeitungen vom „Kampf um die Kanzlerkandidatur“. Nach außen hielten sich die beiden Kontrahenten Armin Laschet und Markus Söder bedeckt; man befinde sich in „konstruktiven Gesprächen“, ließ man offiziell verlauten. Bis zur Fertigstellung dieses Artikels war offen, wer Kanzlerkandidat der CDU/CSU für die Bundestagswahl im September wird.

 

Nach einer von infratest dimap erhobenen Umfrage halten 44 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Söder für den besseren Kanzleranwärter. Nur 15 Prozent sprachen sich für Laschet aus. Hochinteressant ist dabei der Umstand, dass sich rund drei Viertel der Unions-Anhänger für den Bayerischen Ministerpräsidenten aussprechen.

 

Wir wollen uns heute die Frage stellen: wie kommt Mann und Frau zu solchen Urteilen? Warum traut man es dem einen mehr zu als dem anderen? Um es vorweg zu sagen: Sach-Themen, auf die Politiker selber gerne verweisen, spielen bei dem Prozess der Beurteilung kaum eine Rolle. Ein Grund, dass Söder vorne liegt, kann dem Mere-Exposure-Effekt zugeschrieben werden: man findet jene Person besser, der man oft in den Medien begegnet. Und da ist Söder omnipräsent: bei Markus Lanz, Maybritt Illner, bei den Tagesthemen, im heute-journal: immer äußert Söder angriffslustig seine Ansichten, derzeit vor allem zur Einschätzung der Corona-Lage und den von ihm präferierten Maßnahmen.

Ein weiterer Grund: Söder ist größer als Laschet. Sie haben richtig gelesen: fast 25 cm unterscheiden die beiden. Und obwohl wir wissen, dass
Körpergröße nichts über die Charaktereigenschaften einer Person aussagt, spielt uns das Unbewusste einen Streich. Es flüstert uns - aufgrund evolutionärer Voreinstellungen - ein: „Wer groß ist, hat mehr Durchsetzungsvermögen!“ In Studien konnte gezeigt werden, dass wir Führungskräfte, die groß an körperlicher Statur sind, bevorzugen. Körperlich große Männer machen tatsächlich oft das Rennen im politischen Wettbewerb. So waren von den 43 US-Präsidenten (bis George H. W. Bush) nur acht kleiner als der Durchschnitt der Landsleute.

Und dann gibt es noch den bekannten
ersten Eindruck. Dieser ist wirklich sehr wichtig. Forscher sammelten Fotos von Kandidaten amerikanischer Staatswahlen. Meist geht es dort, wie bei Laschet und Söder, um nur zwei Kandidaten. Man zeigte freiwilligen Probanden nur eine Sekunde lang Portraits der Kontrahenten. Weil man Bewerber zurückliegender Wahlen wählte, wussten die Leiter der Studie im Vorhinein, wer die Wahl gewonnen hatte. Es wurde dabei darauf geachtet, dass die Versuchspersonen die Politiker aus den anderen Bundesstaaten nicht kannten. Das Ergebnis dieser Studie war erstaunlich: der entscheidende Faktor war die wahrgenommene Kompetenz, also die Führungsqualität, die man innerhalb einer einzigen Sekunde dem jeweiligen Kandidaten zugeschrieben hatte. Rund 70 Prozent der Wahlergebnisse konnten die Forscher damit korrekt vorhersagen. Der niederländische Sozialpsychologe Ap Dijksterhuis sagt salopp: „Wer am kompetentesten dreinschaut, gewinnt fast immer.“


 

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