Entspannt in Bamberg © K. Glas

Energie für Vielbeschäftigte: Tägliche Auszeit bei Gott

04.09.2009


"Der Stress unserer Zeit bedroht die Menschenseelen erbarmungslos alle Tage, er ist die Frucht unseres heutigen Lebensrhythmus." So schreibt der Priester und Psychologe Henri Boulad. "Ich stelle mir dabei ein Weltrad vor, das sich unaufhörlich dreht. Befinde ich mich am äußersten Rand dieses Rades, dann muss ich gezwungenermaßen alle Bewegungen mitmachen, und ich werde durch die Welt geschleudert. Begebe ich mich aber in die Radmitte, dann dreht sich alles andere um mich her, doch ich selbst ruhe ... Mein Leben bleibt turbulent, ich werde nichts daran ändern können, doch vom Mittelpunkt her gelingt es mir besser, damit umzugehen."

 

Täglich zehn Minuten Stille bei Gott, bei der Gottesmutter. Vielen Frauen und Müttern ist diese kleine Auszeit sehr wichtig geworden. Zwar ist es oft nicht leicht, diese "schöpferische Pause" in den Tagesablauf zu integrieren. Und viele gestehen: Diesen Punkt muss ich mir immer neu erobern. Aber sie spüren auch: Die Mühe zahlt sich aus. Denn Zeiten der Stille führen tiefer in die "Radmitte": zu Gott, in dessen Nähe es besser gelingt, die Turbulenzen des Lebens zu bewältigen.

 

Einige Frauen erzählen von ihren Erfahrungen.

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Die zehn Minuten Stille sind mir im Lauf der Zeit sehr wichtig geworden, sie gehören einfach zu meinem Tagesablauf dazu. Die Stille gibt mir für vieles eine neue Sicht. Ich weiß, es ist jemand da, der mir gute Worte sagt und dem auch ich sie sagen kann. Es ist jemand da, der mir Vertrauen schenkt, der mich kennt, so wie ich bin, und dem auch ich vertrauen kann. Gefühle der Einsamkeit, der Unentschlossenheit, des Zweifels und der Angst lerne ich zu überwinden. Schon oft habe ich die Erfahrung gemacht, dass jede gute Idee, jedes echte Gefühl und jeder Impuls zur Aktivität letztlich in einem Moment der Stille entsteht. I. L.

 

Intensiver leben

Vor 25 Jahren fand ich zu Schönstatt und engagiere mich seither in einer Gruppe für Frauen und Mütter. Ich bin sehr dankbar, dass es Schönstatt in meinem Leben gibt, denn das hat mein Leben veränder, hat es intensiver und froher gemacht. Inzwischen bin ich 50 Jahre, Ehefrau und (Groß-)Mutter von drei erwachsenen Kindern und drei Enkelkindern.

Schon als Kind wollte ich immer Gott finden, wusste aber nicht, wie ich das anstellen sollte. Als ich dann als junge Frau zu Schönstatt kam, führte mich dieser Weg langsam aber unaufhaltsam Gott entgegen. Besonders zu Jesus Christus habe ich endlich gefunden.

 

Als in der Gruppe zum ersten Mal von den zehn Minuten Stille - mit Gott in Verbindung treten - gesprochen wurde, wollte ich das gleich ausprobieren. Mit der Bibel unter dem Arm zog ich mich ins Esszimmer zurück. Aber kaum war ich vertieft, waren auch schon die Kinder da und holten mich aus der "Versenkung" heraus. So ging das nicht, ich musste andere Wege suchen. Und ich probierte es so:

War ich mit dem Kinderwagen unterwegs, suchte ich Gott in der Natur zu entdecken: im Wechselspiel der Wolken, im Strahlen der Sonne, im Blühen der Blumen und Bäume. Waren die Kinder abends im Bett, konnte ich den Tag noch einmal nachkosten, und trotz der vielen Arbeit war ich glücklich und fühlte mich Gott als meinem Vater verbunden. Wenn mein Mann viel Stress hatte oder niedergeschlagen war, setzte ich mich zu ihm und hörte ihm zu; Gott sprach durch meinen Mann zu mir. Das tat uns beiden gut und hat sich bis heute bewährt. Ist es mir selber schwer ums Herz, setze ich mich ins Hausheiligtum, erzähle der Gottesmutter alles und übergebe ihr die Sorgen. Oft bete ich dann noch ein Gesätzchen vom Rosenkranz - und hinterher geht es mir jedes Mal besser. Wenn ich eine Nachbarin besuche, die alt, krank, oder geistig verwirrt ist und nicht mehr sprechen kann, setze ich mich zu ihr und halte einfach ihre Hand. Dabei wird mir bewusst, dass ich in diesem Händedruck auch Jesus berühre, und es erfüllt mich eine große Freude.

Am Bildschirm meines Computers in der Firma steckt eine kleine Pappmaus, die wir einmal bei einem frohen Abend in Oberkirch bekommen haben. Auf ihr stehen die Worte, mit denen Pater Kentenich sich selbst charakterisierte: "Das Ohr am Herzen Gottes, die Hand am Pulsschlag der Zeit." In der Mittagspause, wenn mein Blick auf diese "Maus" fällt, überlege ich, was Gott mir heute per "Klick" sagen möchte.

 

Im Sommer, wenn ich von der Arbeit komme, setze ich mich zuerst eine Viertelstunde auf den Balkon und lese in der Bibel. Manches verstehe ich nicht ganz, doch meistens ist ein Satz dabei, an dem ich mich festmache. Danach geht es dann an die Hausarbeit.

Der Höhepunkt meiner zehn Minuten Stille ist jedoch, wenn ich am Abend die heilige Messe mitfeiern kann. Da kann ich alles auf die Patene legen, alles, was gut war, und auch das, was nicht so gut war. Das ist ein richtig gutes Gefühl. Anschließend ist dann oft noch ein Korb Wäsche zu bügeln, aber das empfinde ich nicht als Last. Ich habe ja schon etwas bei Gott ausgeruht und bin mit mir selber zufrieden.

Und jeden Abend freue ich mich auf den neuen Tag, von dem ich weiß, dass Gott mir wieder begegnen möchte. Angst, die ich früher oft hatte, ist in den vielen Jahren vergangen. Ich lebe bewusster und intensiver. Und das hängt wesentlich mit meinen kleinen Auszeiten zusammen.

 

Ja, inzwischen gehört die stille Zeit bei Gott zu meinem festen Tagesablauf. Sie schenkt mir Gelassenheit und Ausdauer, die Dinge des Lebens in Angriff zu nehmen.

M. E.

 

Stille Zeit - Begegnungszeit

Wie häufig werden heute von anderen Religionen und Bildungszentren Seminare angeboten, die zur inneren Ruhe verhelfen wollen. Nicht immer führt man dort aber zur Begegnung mit einem Du, mit einem persönlichen, lebendigen und gegenwärtigen Gott, so wie wir es kennen. Diese Beobachtung weckt eine große Dankbarkeit in mir. Ich habe mir neu vorgenommen, etwas weniger fernzusehen, das Radio öfter mal abzudrehen, das Telefon hin und wieder einfach zu ignorieren. Die stillen Zeiten, die dadurch entstehen, will ich nützen, um die jenseitige Welt, um Gott, der bei mir ist, wahrzunehmen und mich ihm zuzuwenden. H. F.

 

Schöpferische Pausen

Was mir hilft, die täglichen zehn Minuten Stille zu halten, ist ein gewisser Rhythmus. Am besten gelingt es morgens, wenn alle aus dem Haus sind. Dann lasse ich alle Arbeit liegen, gehe ins Hausheiligtum und gönne mir eine Pause mit der Gottesmutter.

Auch für das, womit ich mich in den zehn Minuten beschäftige, brauche ich eine gewisse Regelmäßigkeit. Zum Beispiel lese ich eine Zeit lang in der Bibel oder ich beschäftige mich mit meiner geistlichen Tagesordnung. Oft bete ich auch zuerst etwas, je nachdem, wie mir zumute ist, entweder aus einem Buch oder frei aus dem Herzen. Manchmal setze ich mich auch einfach nur still vor das Bild der Gottesmutter, um alles bei ihr abzuladen und ein wenig auszuruhen.

Für mich sind die "zehn Minuten" schöpferische Pausen, die mir selbst gut tun, von denen aber auch andere profitieren, denn oft kommen mir gerade in diesen Phasen die besten Ideen. C. R.

 

Das befreit so richtig

Manchmal jammere ich der Gottesmutter in den "zehn Minuten" einfach nur etwas vor. Das tut so gut und befreit so richtig.

N. N.

 

Sternstunden

Manchmal schenkt Gott mir in den "zehn Minuten" so richtige Sternstunden, in denen ich die Verbundenheit mit ihm ganz deutlich spüren darf. Dann nehme ich den Telefonhörer von der Gabel und drehe die Musik zurück, denn dieses innere Bei-Gott-Sein braucht auch äußere Stille. Das ist für mich die tiefste Art des Auftankens. Es gelingt nicht immer, und vor allem kann ich es nicht "machen". Aber ich kann die Sehnsucht danach pflegen - und das tue ich auch.

C. R.

 

Sie rückt alles ins richtige Licht

Früher habe ich meine stille Zeit am Vormittag gehalten, doch seit mein Mann nicht mehr berufstätig ist, plane ich sie am frühen Nachmittag ein. Das ist für mich eine gute Gelegenheit, den Vormittag zu überdenken und zu fragen, was am Nachmittag wichtig ist. Oft gehen mir Gespräche, die ich morgens geführt habe, noch einmal durch den Sinn. Manchmal frage ich dann meinen Mann: "Wie hast du dies oder jenes gemeint?" Je nachdem sage ich auch schon mal: "Du, das habe ich vorhin so und so gemeint, ich hoffe, du hast das nicht missverstanden." Manchmal sitze ich während meiner Besinnungszeit auch einfach nur im Hausheiligtum und schaue die Gottesmutter an. Und dabei spüre ich, wie sie alles, was mich bewegt, ins richtige Licht rückt.

Ich darf es immer wieder erfahren: An den Tagen, an denen mir meine kleine Auszeit gelingt, bin ich viel ausgeglichener, da kann mich nichts so schnell aus der Ruhe bringen. - Gott sei Dank!

 H. L.
Aus: BEGEGNUNG - Zeitschrift aus Schönstatt für Frauen

www.zeitschrift-begegnung.de


 

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