autonom sein © Sarah Glas

Zu meiner Autonomie stehen

23.03.2011

Vor seinem Tode sprach Rabbi Susja: „Man wird mich in der künftigen Welt nicht fragen, warum ich nicht Mose gewesen bin. Warum ich nicht Susja gewesen bin – das wird man mich fragen.“

Aus: Peter Kobbe, Chassidische Weisheiten

 

Wir alle treffen Entscheidungen. Eigentlich jeden Tag: große und kleine, schwierige und leichte, wichtige und belanglose, folgenreiche und wirkungslose. Entscheidungen können ganz wunderbar, aber auch sehr bitter schmecken. Aktuell im Ohr ist mir noch die medial übermittelte Entscheidung eines Karl Theodor zu Guttenberg, der seinen Rücktritt vor wenigen Tagen als schmerzlichsten Moment in seinem bisherigen Leben bezeichnet hat.

 

Entscheidungsfreude und Entscheidungssicherheit sind auch Qualitätsmaßstäbe.

Besonders im Beruf gilt das im starken Maße. Je höher der Verantwortungsbereich ist, desto mehr wird auch Entscheidungsstärke verlangt. Wer hier zulange zögert, sich vor Entscheidungen drückt oder diese verschleppt, wird schnell als ungeeignet abgestuft. Wir Männer haben diese Sichtweise ja ziemlich stark verinnerlicht. Zögerliche und vorsichtige Männer sind nicht unbedingt ein attraktives Vorbild, oder? Und so ist es doppelt bitter und kränkend, wenn ich das Gefühl bekomme oder tatsächlich erleben muss, dass ich selber nichts mehr oder wenig zu entscheiden habe, weil andere über mich entscheiden.

 

Entscheidungen zu treffen, das hat etwas mit Freiheit und Autonomie in meinem Leben zu tun. Und mit der Verantwortung, damit gut und lebensförderlich umzugehen. Dadurch erhält mein Leben Geschmack und Würze – für mich, für andere. Auch wenn die modernen Begriffe nicht fallen: Genau um dieses Dreieck Freiheit – Autonomie – Verantwortung geht es im Grunde in der berühmten Paradies- und Sündenfallerzählung.

 

Es ist schade, dass wir daraus in der alttestamentlichen Lesung des heutigen ersten

Fastensonntags nur ein sehr verstümmeltes und zudem missverständliches Fragment

hören. Denn eigentlich findet diese Erzählung erst mit der ersten Männergeschichte der Bibel, der Erzählung von Kain und Abel, ihr Ende. Drei Impulse höre ich heraus, wenn ich auf diese Weise Genesis 2,3 und 4 im Zusammenhang lese:

• Du bist keine versklavte Marionette – weder in Gottes Händen, noch in denen von
  Menschen oder Institutionen!

• Finde Geschmack daran, dass du Dein Leben lebst und Du darin unverwechselbar bist, weil niemand anderes dein
  Leben für dich leben kann!

• Mach Dir bewusst, was gut und lebensförderlich für dich und andere ist, und triff danach deine Entscheidungen!

 

Mein Vorschlag für die Zeit bis Ostern: Die drei Impulse einfach mal auf jeweils einen

Zettel schreiben und diese Zettel zuhause hinlegen oder mit an die Arbeit nehmen. Und mir vornehmen, in bestimmten Abständen einen Blick darauf werfen und dabei in mich hinein zu hören: Bringen die Impulse in diesem Moment etwas bei mir zum Klingen? Sind sie Hilfe für das, was ich jetzt zu tun oder zu entscheiden habe?

 

Biblischer Text: Genesis 2-4

Text: Dr. Andreas Ruffing

 

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