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Die verlorene Ehre des Horst A.

02.09.2020

Klaus Glas

Horst Arnold wurde auf offener Straße tot aufgefunden. Wenige Wochen nach seinem 53. Geburtstag hatte er am Morgen des 29. Juni 2012 einen Herzinfarkt beim Radfahren erlitten. Womöglich steht der plötzliche Tod dieses Mannes in Zusammenhang mit Belastungen und Demütigungen, die er über Jahre erfahren hatte.

 

Im Jahr 2002 war der bis dahin unbescholtene Lehrer wegen der Vergewaltigung einer Kollegin zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Weil Horst Arnold die Tat vehement und wiederholt bestritt, musste er die Strafe bis zum letzten Tag verbüßen. Wie sich später herausstellte, saß Arnold zu Unrecht im Gefängnis ein. 2011 endete ein Wiederaufnahmeverfahren mit einem Freispruch - wegen erwiesener Unschuld. Aus der Haft entlassen versuchte Arnold vergeblich, eine Wiederanstellung als Lehrer zu erwirken. Seine Partnerin hatte sich zuvor schon von dem vermeintlichen Sexualstraftäter getrennt. Eine angemessene Haftentschädigung blieb ihm verwehrt; bis zu seinem frühen Tod lebte er von Hartz IV.

Mit der Zeit geriet die Lehrerin Heidi K., die den Vergewaltigungsvorwurf vorbrachte, in den Verdacht, die Unwahrheit gesagt zu haben. Ausgerechnet der Frauenbeauftragten der Schule war aufgefallen, dass diese auffallend oft Opfer von schweren Übergriffen oder schlimmen Ereignissen geworden war. Einmal erzählte Heidi K., ihr Verlobter, ein Polizist, sei bei einem Einsatz gegen Al-Qaida in den Kopf geschossen worden. Ein anderes Mal gab sie an, ein Giftanschlag sei auf sie verübt worden; ein Lehrerkollege habe ihr Arsen in den Tee gegeben. Zudem sei sie von ihren drei Ehemännern misshandelt worden. Ein Bekannter sei gar ermordet worden, weil sie mit diesem zusammen einen Pornoring aufgedeckt habe.

Im April 2013 wurde im Zusammenhang mit dem Fall Arnold Anklage gegen Heidi K. wegen Freiheitsberaubung erhoben. In der Gerichtsverhandlung wurde offenbar, dass die Biologie- und Deutschlehrerin von den KollegInnen anfangs als selbstbewusst, eloquent und freundlich wahrgenommen wurde. Mit der Zeit zeigte Heidi K. dann an den Schulen, an denen sie tätig war, ein anderes Gesicht. Ein Schulleiter, dessen Stellvertreterin sie geworden war, gab zu Protokoll, Heidi K. habe ihr Amt „rigide, unbelehrbar und abgrenzend“ ausgeübt. Andere Zeugen sagten aus, Heidi K. habe immer wieder Intrigen gesponnen. Mit ihren Lügengeschichten habe sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen wollen.

Der forensische Psychiater Norbert Leygraf attestierte der Beschuldigten eine histrionische Persönlichkeitsstörung „erheblichen Ausmaßes“. Eine Verminderung der Schuldfähigkeit konnte der Gutachter nicht erkennen. Die Richterin entschuldigte sich für das Fehlurteil aus dem Jahr 2002. Mit der Angeklagten ging sie hart ins Gericht. Sie bescheinigte dieser „kriminelle Energie“; die Zerstörung einer Existenz könne man nicht wiedergutmachen.

 

Mir kamen bei der Beschäftigung mit diesem Fall die Worte Jesu in den Sinn: „Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden.“ (Lk 6, 37)


 

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