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Familie und Beruf(ung)

28.02.2021


Worin unsere Berufung als Familie liegt

The Times They Are A-Changin' - Die Zeiten ändern sich, sang Bob Dylan in einem Song. Vieles hat sich seit den 1960er Jahren geändert. Die klassische Hausfrauen-Ehe, in der sich die Mutter um Haus, Herd, Hanne, Holger und Hans-Werner kümmerte, gibt es kaum noch. Der Anteil berufstätiger Mütter ist in den letzten Jahren noch einmal deutlich gestiegen. Dies ist auch eine Folge veränderter Erwartungen der Gesellschaft an die Rollenverteilung in der Ehe.

Verwirtschaftlichung der Familie
Was von modernen Müttern erwartet wird, ist eine grobe Überforderung: sie sollen in wenigen Monaten die Kleinen soweit erzogen haben, dass diese mit Beginn des zweiten Lebensjahres mit dem lebenslangen Bildungsprogramm starten können. Ab in die Kita, - aber mit möglichst wenig Murren. Dann sollen die gut ausgebildeten Mütter zurück in ihren erlernten oder studierten Beruf und schnellstmöglichst wieder in Vollzeit arbeiten. Die Familien haben sich nach den Bedürfnissen der Wirtschaft zu richten, und nicht umgekehrt. Die Journalistinnen Susanne Garsoffky und Britta Sembach haben selber erlebt, wie hart die Gesellschaft mit Müttern umgeht. In ihrem Buch „Die Alles ist möglich-Lüge“ setzen sie sich kritisch mit der Verwirtschaftlichung der Familie auseinander. Sie zeigen negativen Folgen auf. So leiden einer Umfrage zufolge fast 60 Prozent der Eltern unter stressbedingten Beschwerden. Das Müttergenesungswerk, vielen bekannt durch die Mutter-Kind-Kuren, veröffentlichte Zahlen, wonach immer mehr Mütter mit einem Burn-out-Syndrom in Kliniken auftauchen.

Gute Bindung – gutes Leben
Von einer anderen Warte her beobachtet Nicole Strüber die schwierige Situation junger Familien; die Neurobiologin und Mutter von Zwillingssöhnen erforscht das Gehirn. Sie verweist auf den Zusammenhang von liebevoller Erziehung und gesunder Entwicklung des Kindes. Das Gehirn ist der organische Ort, an dem die Persönlichkeitsentwicklung gesteuert wird. Eine gute Bindung zwischen Mutter und Kind in den ersten drei Lebensjahren programmiert die kindlichen grauen Zellen für ein ganzes Leben. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess nimmt das Oxytocin ein. Jedes Mal wenn das Kleinkind das freundliche Gesicht seiner Mutter erblickt oder ihre beruhigende Stimme hört, wird dieses Bindungshormon im Kopf des Kindes freigesetzt. Einige Jahre später, etwa wenn das Kind zum ersten Mal allein woanders übernachtet, genügt allein die Vorstellung von der Mutter, um diesen chemischen Vorgang im Gehirn in Gang zu setzen: der Liebesbund zwischen Mutter und Kind wurde verinnerlicht. Er hat bleibende Spuren im Gehirn des Kindes hinterlassen!

Durch die frühe Bindungsbeziehung werden vier Prozesse angestoßen, welche für die Persönlichkeitsentwicklung entscheidend sind. Da ist zum einen die innere Gewissheit, dass Bindungen offenbar gut für das persönliche Lebensglück sind. Dann befördert Bindung die Fähigkeit, sich selber zu organisieren und zu lernen: Bindung kommt also immer vor Bildung. In den letzten Jahren wurde insbesondere erforscht, dass sicher gebundene Kinder im späteren Leben Stress besser bewältigen können als vernachlässigte Kinder. Schließlich trägt eine gute Bindung viel zum Aufbau von sozial-emotionalen Kompetenzen bei; die Anlage zu Empathie und Mitgefühl wird in den ersten Lebensjahren grundgelegt.

Zur Krippe her kommet?
Die Erwartungen der Politik, Mütter mögen nach der Niederkunft bitte bald wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, hat zu einem massiven Ausbau an Kinderkrippen geführt. Bis dato gibt es in Deutschland nur wenige gute Untersuchungen zur Qualität von Krippen. Das Ergebnis der vorhandenen Studien ist ernüchternd: über 80 Prozent der Kinderkrippen verfügen nur über eine mittelmäßige Qualität. Zudem fehlen, einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge, rund 120.000 Erzieherinnen, die zur Sicherung hoher Qualitätsstandards erforderlich wären. Derzeit ist eine Fachkraft für sechs kleine Kinder zuständig. „Da schreit immer jemand, und eines hat immer die Windeln voll“, sagte mir jüngst eine Erzieherin. Bindungs-Experten fordern einen Personalschlüssel von 1:3; eine Erzieherin sollte maximal drei kleine Kinder zur Betreuung haben. Eine kanadische Untersuchung aus dem Jahr 2015 zeigt, was dabei herauskommen kann, wenn man Kinder zu früh in Krippen mit schlechter Versorgungsqualität gibt. Jahre später hatten Krippenkinder eine vergleichsweise schlechtere Gesundheit, eine verringerte Lebenszufriedenheit und eine höhere Neigung zu Kriminalität.

Was Wunder also, wenn Pädagogen den Politikern die Leviten lesen. Diese würden in Kauf nehmen, dass vielerorts Krippen aus dem Boden gestampft werden, ohne dass strukturell und personell die notwendigen Voraussetzungen dafür bestünden. Der australische Psychologe Steve Biddulph ist überzeugt: „Es wäre billiger und qualitativ besser, die Familien zu unterstützen.“

Familie: zur Liebe berufen
Ende der 1970er Jahre wandten sich John Lennon und Yoko Ono an die Öffentlichkeit. Sie erklärten verdutzten Pressvertretern, sie würden der Erziehung ihres Sohnes Priorität einräumen und sich bis zu dessen fünftem Lebensjahr aus dem Musikbusiness zurückziehen. Das haben sie tatsächlich auch getan. Momentan dreht sich in Deutschland das Blatt in jene Richtung, die der Ex-Beatle einst einschlug. Stimmen mehren sich, die den Wert der Familienarbeit wieder stärker hervorheben. Wir können dazu beitragen, Ehe und Familie wieder stärker aus christlicher Perspektive zu betrachten.

Nach Auffassung von Pater Josef Kentenich haben die Familien einen besonderen Bildungsauftrag: sie sollen eine „Hochschule der Liebe“ darstellen. Jedes Menschenkind, so der charismatische Pädagoge, käme mit einem speziellen Auftrag zur Welt. Wer ist der Auftraggeber? Die Antwort gibt Elwood Blues im Film „Blues Brothers“ (USA, 1980). Da sagt er jenen Satz, der inzwischen Kultstatus gewonnen hat: „Wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs!“ Gläubige Eltern fördern die Talente und Stärken ihrer Kinder auf besondere Weise. Sie lieben Gott in den Kindern und die Kinder in Gott.


 

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