Flügel © C. Nüchter

Wurzel und Flügel von den Eltern bekommen

10.02.2011


Typisch Mutter, typisch Vater – gibt es das überhaupt und soll es das geben? Ist unser Mann- und Frausein, nur Ergebnis der Sozialisation oder steckt mehr dahinter?

 

Mutter- und Vatersein ausprägen

William Shakespeare formuliert: „Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ Sicher kommt von beiden Elternteilen irgendwie beides und doch meinen wir, dass es Schwerpunkte gibt.

 

Die Wurzeln des Kindes entwickeln

Muttersein ausprägen

Gerhard Amendt, Professor emeritus am Institut für Geschlechter- und Generationenforschung der Universität Bremen, der sich psychoanalytisch viel mit dem Thema Vaterschaft beschäftigt hat, formuliert: „Das Kind beginnt mit der inneren Welt, um sich über die Jahre hin in die äußere zu emanzipieren.“ Er geht davon aus, dass in den ersten Monaten die Mutter die im Mutterleib entstandene Bindung stabilisiert, dass an der Stelle Urvertrauen wächst und sich entfaltet und die Mutter daher sehr für die innere Stabilität zuständig ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass die natürliche Stillzeit der zeitliche Maßstab ist für diese intensive Mutter-Kind-Bindungsphase. Die „Frühgeburt Mensch“, wie man sagt, braucht offenbar diese Vergewisserungsphase. Das Kind sieht übrigens in den ersten Wochen nur schemenhaft. Schade, wenn der Vater während seiner intensiven Elternzeit dann gar nicht mal richtig gesehen wird. Aber natürlich kann er wickeln, da sein, Zeiten übernehmen, in denen er dem Kind nahe ist. Der Bindungsschwerpunkt liegt nach Meinung Amendts dennoch zunächst bei der Mutter – von der Ernährung und der psychologischen Entwicklung her. Die Mütterlichkeit steht bei ihm durchaus auch positiv für Verharren, Wunscherfüllung, Schutz vor äußeren An- und Überforderungen. Die Mutter steht nach Auffassung von Pater Kentenich auch nach den ersten Monaten weiterhin für die inneren Wurzeln und die Beheimatung. Dann kommt der Faktor Loslösung dazu. Und doch ist sie auch während der Schulzeit und der Pubertät diejenige, bei dem sich das Kind und der Jugendliche vergewissert. Sie übernimmt tendenziell ganz stark das Bergende, Verständnisvolle und Sorgende. Die Mutter neigt auch mehr dazu, als Glucke die Kinderlein am liebsten unter ihren Fittichen zu behalten. Sie ist auch eher diejenige, die abends sorgenvoll im Bett auf das Heimkommen der Kinder lauscht. „Hoffentlich ist nichts passiert.“ Nebenan im Bett ist dann schon mal ein Stoßseufzer des Vaters zu vernehmen, der verschlafen bemerkt: „Jetzt mach dich doch nicht verrückt. Da ist schon alles in Ordnung.“ Amendt meint: Stück für Stück müsse die Mutter das Kind gehenlassen, der Vater nähme das Kind in die äußere Welt auf. Da erinnern wir uns an den Satz von Pater Kentenich, den er Familien sagt: „Die Mutter muss das Kind zum Vater führen.“ Das ist eine Weisheit, denn Mütter können die Beziehung zum Vater durchaus in der Familie boykottieren. Sie sitzen oft am längeren Hebel. Misslingt die Loslösung, dann muss der später erwachsene Mensch in innerer Unabgelöstheit leben, er ist oft beziehungsunfähig und kann auch in seiner Sexualität schnell gestört sein. Amendt meint Sexualität nicht nur im biologischen Sinne, sondern auch psychologisch – die Geschlechtsidentität.

 

Dem Kind Flügel verleihen

Vatersein ausprägen

Wenn das Kind mit sechs Monaten vielleicht etwas zugefüttert bekommt, mit neun Monaten krabbelt und die Gegend unsicher macht, dann ist es gut, wenn der Vater verstärkt auf den Plan tritt. Das wäre beispielsweise der ideale Zeitraum für eine Elternzeit des Vaters. Wir haben unsere Kinder mit zehn Monaten abgestillt. Das haben wir im Urlaub gemacht, und der Papa war dann zuständig für das Trinken. Das ist dann auch die Zeit, in der der Vater anfängt, das Kind in die Luft zu werfen und die Mutter beim Zuschauen die Krise bekommt. Gerade dieses Bild macht viel deutlich. Der Vater, der herausfordert, der das Kind fliegen lässt. Amendt sagt ein paar interessante Dinge zum Vater: Der Vater sei der am nächsten stehende Außenstehende, er hilft bei der Abnabelung. In anderen Kulturen ist er zum Beispiel derjenige, der auf die Kultur, auf das Gesetz und die Stammesgegebenheiten in seinem Tun in der Familie hinweist. Das Kind hat ja vor allem zunächst durch die Mutter den innersten Lebensraum der Familie, die Mutter-Kind-Beziehung kennengelernt. Die Regeln und das damit verknüpfte Lebensgefühl innerhalb dieses Gefüges sind dem Kind vertraut. Normalerweise erlebt das Kind hier auch seinen primären Schutzraum. Der Vater erweitert als erster „Außenstehender“ dieses primäre Bindungs- und Lebensfeld des Kindes und damit lernt das Kind durch den Vater den erweiterten Schutzraum außerhalb der Primärbindung Mutter-Kind kennen. Ja es wird letztlich eingeführt in den Lebensraum der Gesellschaft, der nur dann funktioniert und Schutz bietet, wenn Regeln, Grenzen und Gesetze gekannt und beachtet werden. Herausfordern und Grenzen aufzeigen, lautet also in diesem Zusammenhang das Stichwort. Der Vater kann das Kind einerseits zum Entdecken und Ausprobieren, zum „Fliegen“ anregen und gleichzeitig das Kind mit „dem äußeren Gesetz“, wie Amendt sagt, vertraut machen, ihm den „Flugraum“ abstecken. Gerade auch in der Pubertät brauchen die Kinder diesen Herausforderer – ihren Vater. Söhne suchen außerdem den Mann, an dem sie sich reiben können, und der sie erkennen lässt, was männliche Identität bedeuten kann. Sie brauchen einen Begleiter und ein Modell für ihr Mannsein. Und Sie brauchen ein Modell, wie ein Mann mit seiner Frau gut umgeht. Die Mädchen brauchen den Mann im Vater, der sie in ihrer werdenden Fraulichkeit ernst nimmt, der ihnen alles zutraut und stolz auf sie ist.

 

Wir als Eltern ergänzen uns

Eltern sind mehr als die Summe von Vater und Mutter. Es entsteht eine neue Größe, ein Team. Es gibt im Miteinander einen Synergieeffekt der beiden. Deshalb haben wir es gut, wenn Vater und Mutter als Eltern gemeinsam in einer Familie zusammenwirken können. Geht das nicht, muss überlegt werden: Wie kann das Kind Väterlichkeit und Mütterlichkeit anders erleben? Amendt meint zum Miteinander: „Die kluge Frau und die weise Mutter erlebt die väterliche Welt ihres Mannes zugleich als eine Herausforderung und eine Entlastung ...“ Beides spiele zusammen in einer „lebensbefähigenden Beziehungsdynamik“. Es findet eine Akzentverschiebung statt von der Mutter zum Vater hin als Erweiterung des Lebensraumes. Beide, Vater und Mutter, sind als Mann und Frau wichtig für die Identitätsfindung der Kinder und darin unaustauschbar.

 

WURZELN UND FLÜGEL VON DEN ELTERN BEKOMMEN

 

Typisch Mutter, typisch Vater – gibt es das überhaupt und soll es das geben? Ist unser Mann- und Frausein, nur Ergebnis der Sozialisation oder steckt mehr dahinter?

 

Mutter- und Vatersein ausprägen

William Shakespeare formuliert: „Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ Sicher kommt von beiden Elternteilen irgendwie beides und doch meinen wir, dass es Schwerpunkte gibt.

 

Die Wurzeln des Kindes entwickeln

Muttersein ausprägen

Gerhard Amendt, Professor emeritus am Institut für Geschlechter- und Generationenforschung der Universität Bremen, der sich psychoanalytisch viel mit dem Thema Vaterschaft beschäftigt hat, formuliert: „Das Kind beginnt mit der inneren Welt, um sich über die Jahre hin in die äußere zu emanzipieren.“ Er geht davon aus, dass in den ersten Monaten die Mutter die im Mutterleib entstandene Bindung stabilisiert, dass an der Stelle Urvertrauen wächst und sich entfaltet und die Mutter daher sehr für die innere Stabilität zuständig ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass die natürliche Stillzeit der zeitliche Maßstab ist für diese intensive Mutter-Kind-Bindungsphase. Die „Frühgeburt Mensch“, wie man sagt, braucht offenbar diese Vergewisserungsphase. Das Kind sieht übrigens in den ersten Wochen nur schemenhaft. Schade, wenn der Vater während seiner intensiven Elternzeit dann gar nicht mal richtig gesehen wird. Aber natürlich kann er wickeln, da sein, Zeiten übernehmen, in denen er dem Kind nahe ist. Der Bindungsschwerpunkt liegt nach Meinung Amendts dennoch zunächst bei der Mutter – von der Ernährung und der psychologischen Entwicklung her. Die Mütterlichkeit steht bei ihm durchaus auch positiv für Verharren, Wunscherfüllung, Schutz vor äußeren An- und Überforderungen. Die Mutter steht nach Auffassung von Pater Kentenich auch nach den ersten Monaten weiterhin für die inneren Wurzeln und die Beheimatung. Dann kommt der Faktor Loslösung dazu. Und doch ist sie auch während der Schulzeit und der Pubertät diejenige, bei dem sich das Kind und der Jugendliche vergewissert. Sie übernimmt tendenziell ganz stark das Bergende, Verständnisvolle und Sorgende. Die Mutter neigt auch mehr dazu, als Glucke die Kinderlein am liebsten unter ihren Fittichen zu behalten. Sie ist auch eher diejenige, die abends sorgenvoll im Bett auf das Heimkommen der Kinder lauscht. „Hoffentlich ist nichts passiert.“ Nebenan im Bett ist dann schon mal ein Stoßseufzer des Vaters zu vernehmen, der verschlafen bemerkt: „Jetzt mach dich doch nicht verrückt. Da ist schon alles in Ordnung.“ Amendt meint: Stück für Stück müsse die Mutter das Kind gehenlassen, der Vater nähme das Kind in die äußere Welt auf. Da erinnern wir uns an den Satz von Pater Kentenich, den er Familien sagt: „Die Mutter muss das Kind zum Vater führen.“ Das ist eine Weisheit, denn Mütter können die Beziehung zum Vater durchaus in der Familie boykottieren. Sie sitzen oft am längeren Hebel. Misslingt die Loslösung, dann muss der später erwachsene Mensch in innerer Unabgelöstheit leben, er ist oft beziehungsunfähig und kann auch in seiner Sexualität schnell gestört sein. Amendt meint Sexualität nicht nur im biologischen Sinne, sondern auch psychologisch – die Geschlechtsidentität.

 

Dem Kind Flügel verleihen

Vatersein ausprägen

Wenn das Kind mit sechs Monaten vielleicht etwas zugefüttert bekommt, mit neun Monaten krabbelt und die Gegend unsicher macht, dann ist es gut, wenn der Vater verstärkt auf den Plan tritt. Das wäre beispielsweise der ideale Zeitraum für eine Elternzeit des Vaters. Wir haben unsere Kinder mit zehn Monaten abgestillt. Das haben wir im Urlaub gemacht, und der Papa war dann zuständig für das Trinken. Das ist dann auch die Zeit, in der der Vater anfängt, das Kind in die Luft zu werfen und die Mutter beim Zuschauen die Krise bekommt. Gerade dieses Bild macht viel deutlich. Der Vater, der herausfordert, der das Kind fliegen lässt. Amendt sagt ein paar interessante Dinge zum Vater: Der Vater sei der am nächsten stehende Außenstehende, er hilft bei der Abnabelung. In anderen Kulturen ist er zum Beispiel derjenige, der auf die Kultur, auf das Gesetz und die Stammesgegebenheiten in seinem Tun in der Familie hinweist. Das Kind hat ja vor allem zunächst durch die Mutter den innersten Lebensraum der Familie, die Mutter-Kind-Beziehung kennengelernt. Die Regeln und das damit verknüpfte Lebensgefühl innerhalb dieses Gefüges sind dem Kind vertraut. Normalerweise erlebt das Kind hier auch seinen primären Schutzraum. Der Vater erweitert als erster „Außenstehender“ dieses primäre Bindungs- und Lebensfeld des Kindes und damit lernt das Kind durch den Vater den erweiterten Schutzraum außerhalb der Primärbindung Mutter-Kind kennen. Ja es wird letztlich eingeführt in den Lebensraum der Gesellschaft, der nur dann funktioniert und Schutz bietet, wenn Regeln, Grenzen und Gesetze gekannt und beachtet werden. Herausfordern und Grenzen aufzeigen, lautet also in diesem Zusammenhang das Stichwort. Der Vater kann das Kind einerseits zum Entdecken und Ausprobieren, zum „Fliegen“ anregen und gleichzeitig das Kind mit „dem äußeren Gesetz“, wie Amendt sagt, vertraut machen, ihm den „Flugraum“ abstecken. Gerade auch in der Pubertät brauchen die Kinder diesen Herausforderer – ihren Vater. Söhne suchen außerdem den Mann, an dem sie sich reiben können, und der sie erkennen lässt, was männliche Identität bedeuten kann. Sie brauchen einen Begleiter und ein Modell für ihr Mannsein. Und Sie brauchen ein Modell, wie ein Mann mit seiner Frau gut umgeht. Die Mädchen brauchen den Mann im Vater, der sie in ihrer werdenden Fraulichkeit ernst nimmt, der ihnen alles zutraut und stolz auf sie ist.

 

Wir als Eltern ergänzen uns

Eltern sind mehr als die Summe von Vater und Mutter. Es entsteht eine neue Größe, ein Team. Es gibt im Miteinander einen Synergieeffekt der beiden. Deshalb haben wir es gut, wenn Vater und Mutter als Eltern gemeinsam in einer Familie zusammenwirken können. Geht das nicht, muss überlegt werden: Wie kann das Kind Väterlichkeit und Mütterlichkeit anders erleben? Amendt meint zum Miteinander: „Die kluge Frau und die weise Mutter erlebt die väterliche Welt ihres Mannes zugleich als eine Herausforderung und eine Entlastung ...“ Beides spiele zusammen in einer „lebensbefähigenden Beziehungsdynamik“. Es findet eine Akzentverschiebung statt von der Mutter zum Vater hin als Erweiterung des Lebensraumes. Beide, Vater und Mutter, sind als Mann und Frau wichtig für die Identitätsfindung der Kinder und darin unaustauschbar.

 

Aus: unser weg, Schönstatt Familienmagazin 2/2009

www.unserweg.com


 

© 2024 Klaus Glas | Impressum | Datenschutzhinweise